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Rezension zu
Städte aus Papier

Hinter der weißen Leinwand

Von: Literaturreich
29.09.2022

Emily Dickinson gilt heute als eine der bedeutendsten und einflussreichsten Dichterinnen Amerikas. Dabei wurden zu ihren Lebzeiten kaum Werke aus ihrer Feder veröffentlicht und nach ihrem Tod mit 56 Jahren 1886 erfuhren ihre Gedichte und Briefe vor der Veröffentlichung massive Eingriffe durch die Herausgeber. Erst sehr viel später konnten sie unverändert erscheinen, wobei die Edition wohl recht schwer war, schrieb Dickinson viele ihrer Gedichte und Beobachtungen doch einfach auf lose Zettel, nahm unzählige Korrekturen an ihnen vor. Auch von Emily als Person ist recht wenig bekannt. Es gibt neben den Dichtungen zahlreiche Briefe, aber sie lebte sehr zurückgezogen, bis zu ihrem Tod im Elternhaus in Amherst/Massachussets. Es gibt lediglich ein Foto von ihr, was auch Dominique Fortier, die Frankokanadierin, in ihrer poetischen Annäherung thematisiert. "Bei der heutigen Bilderflut können wir uns kaum vorstellen, dass es von ihr, einer der bedeutendsten Dichterinnen ihres Landes, nur ein Foto geben soll, aufgenommen im alter von sechzehn Jahren. Auf diesem berühmten Porträt ist sie schlank und blass, het ein dunkles Samtband um den langen Hals, man liest eine ruhige Aufmerksamkeit in ihren weit auseinanderstehenden schwarzen Augen, um die Lippern liegt der Anflug eines Lächelns. (...) Für immer und ewig wird sie nur dieses Gesicht sein. Diese Maske. Emily Dickinson ist eine weiße Leinwand, ein unbeschriebenes Blatt. Hätte sie am Ende ihres Lebens nur Blau getrage, gäbe es nichts über sie zu sagen." Ja, Emily Dickinson ist eine weiße Leinwand. Für nachfolgende Generationen war sie oft die "Verschrobene", die "Depressive", die einsame Junggesellin, die nie heiratete, Familie hatte, sich freiwillig immer mehr in die Einsamkeit zurückzog. Das Bild von der Dichterin war geprägt von vermutetem Leid und Sehnsucht. Eine Deutungsrichtung, der sich Dominique Fortier glücklicherweise genauso entzieht wie den in jüngster Zeit geäußerten Vermutungen, dass Emily dickinson lesbisch gewesen wäre. Fortier nähert sich ihr anhand ihrer Gedichte, Briefe, ihres liebevoll gepflegten Herbariums poetisch, diskret, füllt die vielen Leerstellen in ihrem Leben feinfühlig und bedächtig und lässt so das Bild einer gewiss eigenwilligen, verletzlichen, aber auch starken, oft ironischen Frau entstehen. "Wie anmaßend, darüber zu staunen, dass Emily lieber unter Blumen als unter Menschen lebt." Emilys Glück lag gewiss in der Natur, viele ihrer Gedichte beschäftigten sich mit Pflanzen, Insekten, aber auch mit den "großen" Fragen nach Glück, Liebe und Tod. Die Literatur spielte in ihrem Leben immer eine große Rolle, das Schreiben. Sie erschuf sich "Städte aus Papier". In kleinen Miniaturen, hochpoetisch, fiktiv oder recherchiert, das spielt kaum eine rolle, und ergänzt durch Szenen aus dem eigenen Leben und ihrer Arbeit am Buch über die Dichterin, erzählt Dominique Fortier vom Leben einer in der Zurückgezogenheit ruhenden Frau. Und macht große Lust, die Gedichte von Emily Dickinson (wieder) zu lesen.

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