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Rezension zu
Oh, William!

Gescheitert, aber nicht zersprungen

Von: literaturnova
08.09.2022

Gescheitert, aber nicht zersprungen. Rezension zu Elizabeth Strouts »Oh William!« »Es gab Zeiten in unserer Ehe, da habe ich ihn verabscheut. Ich spürte mit einem Grauen, das sich wie ein dumpfer Ring um meine Brust legte, dass da hinter seiner liebenswürdigen Distanz, hinter seiner sanften Art eine Mauer war.« (S. 28) Alte Liebe. Verheiratet sind Lucy und William schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Und doch, wann immer sie Hilfe benötigen, sich in einem emotionalen Tief befinden, sind sie der erste Gedanke des jeweils anderen. Daran kann keine weitere Beziehung, keine erneute Ehe mit anderen Männern oder Frauen etwas ändern. Die tiefe Bindung, die sie bei ihrer Hochzeit eingingen, ließ sich nie abschütteln. Wenn man diesen Begriff in ihrem Alter noch benutzen möchte, kann man sie getrost als »beste Freunde« bezeichnen. Denn zusammen erlebten die beiden die wohl schönsten Tage ihres Lebens. Der Anfang und das Ende? Lucys Leben begann in Illinois, in einer kleinen Siedlung, geprägt und geplagt von Armut, von Mangel und vom Vergessen. Vergessen von den einstigen wirtschaftlichen Aufschwüngen, von dem Wohlstand der Vereinigten Staaten. Sie war das Kind einer von vielen armen Familien. Sie wusste früh, was es bedeutet hungrig in den unruhigen Schlaf zu sinken und am nächsten Tag hungrig zu bleiben. Sie kennt die Tage, an denen sie nicht in die Schule durfte, weil sie ihren Eltern helfen musste. Sie ist kein Beweis dafür, dass man auch aus solchen Verhältnissen ausbrechen könne, dass der soziale Aufstieg nur eine Sache von Fleiß und Wollen sei. Sie ist das Trotz in der Statistik. Sie kämpfte sich durch, schaffte es in der Schule aufzuholen und am Ende aus der Armut auszubrechen. Auf diesem langen, schweren Weg traf sie einen Mann, der mit ihr bis an das Ende und zurück gehen würde, selbst wenn er sich nicht an ihrer Seite befand: William. Sie lernten sich kennen und lieben, heirateten und bekamen zwei Töchter. Diese beiden Töchter waren seit jeher eine Stütze ihrer Beziehung, wenn auch nicht die einzige. Sie lebten zusammen, bis ihr Gerüst in sich zusammenbrach, sie sich selbst nicht mehr ertrugen und getrennte Wege gehen mussten. Doch selbst nach ihrer Scheidung blieben die beiden eng verbunden, suchten bei einander Trost in dunklen Tagen und teilten die Freude die der Sonnenschein bringt. Sie konnten sich nicht ganz gehen lassen, so blieben sie eben in der Nähe, lokal und emotional. Immer wieder verliebten sie sich neu, doch keine der Beziehungen und Ehen wollte halten. Nach jedem Bruch suchten sie Trost und wussten genau, wo dieser zu finden war. William und Lucy, das Paar, das die Liebe hinter sich ließ und in einer ganz besonderen Freundschaft ihr Leben teilte. Vielleicht konnten die neuen Beziehungen nicht halten, weil sie zu sehr an sich hielten. Vielleicht mussten ihre Leben so verlaufen wie sie es taten, weil sie sich nie loslassen konnten. So blieben sie verflochten und verbunden. Über das Buch. »Oh William!« ist ein Buch über die Liebe des Lebens, die auch nach der Trennung bestehen bleibt, sich nie abschütteln lässt. Es ist die Aufarbeitung des enormen Verlustes nach einem gemeinsam verbrachten Leben, ist ein Rückblick auf die Gründe, weshalb manche Beziehungen scheitern und doch nicht zerspringen. Denn genau das ist die Liebe zwischen Lucy und William: gescheitert, aber nicht zersprungen. In einem beruhigendem Tempo begleitet Strout durch die innere Welt Lucys, lässt sie immer wieder zu ihrer großen Liebe William blicken und zeigt dabei auf, wie ein eigenständiges Leben sich doch um eine einzige Person drehen kann. Lucy braucht keinen Mann, tat sie noch nie. Aus jeder schwierigen Situation konnte sie sich selbst herausholen. Und doch genoss sie stets die Nähe Williams, wusste, dass er sie nicht auffing und rettete weil sie es alleine nicht hätte schaffen können, sondern weil er sie in ihren Kämpfen unterstützen wollte, ihr Stabilität und Zuneigung geben und ihre Hand halten mochte, als sie sich schlaff und besiegt fühlte. William und Lucy sind ein besonderes Paar darin, dass sie keines sind. Mit einer Selbstverständlichkeit schreitet Strout Seite für Seite voran, sodass sich das Erzählte nur richtig, nur gut anfühlen kann. Darin liegt bemerkenswertes schriftstellerisches Können. Fazit. Elizabeth Strout schreibt in einer besonderen Leichtigkeit, die die Trauer und den Verlust nahezu in Vergessenheit begräbt. Dieses Gefühl wurde von Sabine Roth in der deutschen Übersetzung hervorragend beibehalten. Das Alltägliche in Literatur zu verwandeln ist eine Kunst für sich. Strout meistert diese Kunst auf beeindruckende Art und Weise und hinterlässt einen bleibenden Eindruck, verstärkt durch die gute Ausarbeitung der Charaktere. Die Bilder die erzeugt werden, gehen Hand in Hand mit der Sprache der Autorin. Obwohl die Handlung nur sehr unterschwellig stattfindet, kaum merklich, minimalistisch schon fast, berührt sie doch. Streckenweise fehlt es an Feinschliff, aber das Gesamtwerk bleibt doch schön und schnörkellos in Erinnerung. Strout führt mit Worten durch Erinnerungen einer besonderen, gleichzeitig aber alltäglichen Liebe. Sie erhebt den Alltag auf einen fast schon poetischen Rang. Ohne Zweifel steht fest, dass »Oh William!« zwar mein erster, aber nicht mein letzter Strout gewesen sein wird. Übersetzt wurde das Buch aus dem amerikanischen Englisch von Sabine Roth. Bei diesem Buch handelt es sich um ein vom Luchterhand in Kooperation mit dem Bloggerportal zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar. Das Buch erschien im November 2021 im Luchterhand Verlag.

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