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Rezension zu
Meisterklasse

Viel Arbeit steckt in einem Buch!

Von: Edith N.
07.06.2022

Als ich von diesem Ratgeber erfuhr, wollte ich dieser Autorin, von der ich rund ein Dutzend Krimis gelesen habe, einmal über die Schulter schauen. Wie macht sie es, dass die Leserinnen so verrückt nach ihren Büchern sind? Ich ahnte es schon: Es ist verflixt viel Arbeit und erfordert eine Menge Disziplin! Am Anfang steht eine gute Idee. Und dann muss man die notwendigen Informationen recherchieren, den Handlungskern festlegen, glaubhafte, lebendig wirkende Figuren entwickeln, die Erzählperspektive bestimmen, die einzelnen Szenen strukturieren, aufbauen und miteinander verknüpfen, die Erstfassung überarbeiten und noch vieles mehr. Spannend soll die Geschichte sein, logisch und unterhaltsam. Und verkaufen soll sie sich auch. Wie die Autorin dabei genau vorgeht, zeigt sie uns am Beispiel ihres Romans DOCH DIE SÜNDE IST SCHARLACHROT (OT: CARELESS IN RED). Es ist nicht zwingend notwendig, dass man diesen Roman schon kennt, aber es ist auch kein Fehler. Hinterher braucht man ihn nicht mehr zu lesen, weil durch die vielen (und sehr langen!) Textbeispiele das Wesentliche schon verraten wird. Wenn eine US-amerikanische Schriftstellerin, die keinerlei Bezug zu Großbritannien hat, eine Romanreihe schreibt, die ebendort spielt und die einem „very British“ vorkommt, muss dem Schreiben eine Menge Recherche vorangegangen sein. Elizabeth George verrät uns, was sie auf ihren Recherchereisen alles notiert und fotografiert, damit wir Leser:innen später den Eindruck haben, wirklich vor Ort zu sein und die Schauplätze mit allen Sinnen wahrzunehmen. Mit ihrem Romanpersonal betreibt die Autorin ebenfalls einen enormen Aufwand. Was sie vorab alles über ihre handelnden Personen „weiß“ ist unglaublich. Seitenweise trägt sie Informationen über sie zusammen: Kindheit, Familie, Einstellungen, Hobbys, Ziele, Motive, Bedürfnisse, Probleme ... auf Seite 58 findet sich eine Liste mit knapp 30 Stichpunkten, die sie mehr oder weniger abarbeitet. Diese Fakten werden später nicht alle im Roman erwähnt werden, aber sie formen die Personen, deren Ansichten, Handlungen und auch deren Sprache. Da ich den Roman, den sie hier als Beispiel heranzieht, vor Jahren gelesen hatte, habe ich die Auswirkungen ihrer detailgenauen Vorarbeit selbst erlebt. Und vielleicht auch deren Grenzen. Erst jetzt, als ich hier all diese Hintergrundinfos las, ist mir so manches über die handelnden Personen klar geworden. Ich hatte einige Ursachen und Zusammenhänge damals beim Lesen schlicht nicht begriffen. All diese sorgsam konstruierten fiktiven Personen können uns Leser:innen also auch überfordern. Die Autorin schildert, wie sie die einzelnen Szenen plant, schreibt und miteinander verbindet, wie sie Konflikte, dramatische Fragen und Wendepunkte setzt, was einen gelungenen Romananfang – die Eröffnung – ausmacht und warum das so schwierig ist. Interessant fand ich ihre Methode, längere Dialoge zu schreiben, ohne –zigmal „sagte sie“ und „sagte er“ zu verwenden – und ohne dass der Leser den Überblick darüber verliert, wer gerade spricht. Sonst sitzt man ja manchmal da und zählt ab: „Sagt A, sagt B, sagt A, sagt B ...“ Das Buch enthält Übungen, mit denen man das soeben Gelernte ausprobieren kann. Man kann hier mit den neu entdeckten „Werkzeugen“ ein bisschen spielen. Doch wenn man kein Feedback auf seine Fingerübungen bekommt, weiß man nicht, ob es funktioniert, was man treibt, oder ob man etwas völlig falsch verstanden hat. Ich habe durch diesen Ratgeber einiges gelernt und werde künftig beim Lesen von Romanen – auch anderer Autor:innen – darauf achten, ob ich einzelne Kniffe wiedererkenne und wo man vielleicht das eine oder andere aus Frau Georges Trickkiste sinnvoll hätte anwenden können. 1:1 wird man sich ihrer Methoden sicher nicht bedienen, selbst wenn man ein bisschen ähnlich denkt wie die Autorin. Hier bekommt man eine Art Werkzeugkasten mit Bedienungsanleitung an die Hand. Welche Werkzeuge man einsetzen will, bleibt einem selbst überlassen. Wer gerne drauflosschreibt und sich selbst von seiner Geschichte überraschen lässt, wird mit dieser Art der peniblen (Über-)Vorbereitung sicher nichts anfangen können. Die Autorin schreibt dazu: „Wenn Sie dann dieses Buch lesen, kommt es einzig und allein darauf an, dass Sie für alles offen sind. Den Studierenden in meinen Kursen zum Thema ‚Kreatives Schreiben’ sage ich immer: beherzigen Sie, was Ihnen gefällt, und vergessen Sie den Rest.“ (Seite 19) Etablierte Autor:innen haben längst ihre eigenen Strategien entwickelt und werden womöglich den Kopf schütteln über die Arbeitsweise ihrer prominenten US-Kollegin. Doch wer noch am Anfang steht, wird hier brauchbare Tipps finden. Auf jeden Fall räumt Elizabeth George gründlich mit der Vorstellung auf, Schriftsteller:in zu sein sei irgendwie glamourös und romantisch oder gar leicht.

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