Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
BÄR

ein literarisches Kaleidoskop

Von: floskel
29.05.2022

Bereits vor einiger Zeit hat die Buchhändlerin meines Vertrauens Marian Engels „Bär“ im Original gelesen und dann davon geschwärmt. Damals hat mich nicht nur ihre Rezension angesprochen, sondern auch der The Guardian-Artikel, den sie in dieser erwähnt und empfiehlt. Jedenfalls – ein Aspekt, auf den das Buch leider zu gerne reduziert wird, hat mich sehr abgeschreckt: der erotische. Sex mit einem Bären – Fantasy gepaart mit einem Erotik-Roman? Nein, danke! Meine Neugier war dann doch stärker. Und ich gebe zu, das lag am Beruf der Protagonistin, die ist nämlich (so wie ich) Bibliothekarin. Sie, Lou, führt ein eintöniges, ereignisarmes Leben – und doch liebt sie ihren Beruf. Engel schafft es, Lou’s Leben in all seinen Ambivalenzen und dadurch sehr plastisch darzustellen. Als sich Lou nun die Chance bietet aus beruflichen Gründen die Stadt zu verlassen und so aus ihrem tristen Leben auszubrechen, nutzt sie diese. Statt ihres staubigen Kellerbüros lebt sie nun für einige Zeit auf einer abgelegenen Flussinsel im Norden Kanadas, um einen Nachlass zu katalogisieren. Auch dieses Sommer-Inselleben und vor allem dessen Auswirkungen auf Lou’s Wohlbefinden, ihre damit einhergehende Entwicklung – ja, fast möchte man sagen: ihr Aufblühen, Aufleben, ihre Befreiung – stellt Engel äußerst anschaulich dar. Lou lebt jedoch nicht ganz allein auf dieser wuchernden Insel, sondern muss sich auch um einen halbzahmen Bären kümmern – das erfährt sie aber direkt vor Ort. Dass Lou’s Erwachen auch ein sexuelles Erwachen ist und dass es tatsächlich so einige Sexszenen zwischen Lou und dem Bären gibt, wirkt beim Lesen wie eine natürliche Entwicklung oder um Maria-Christina Piwowarski zu zitieren: „Und dass eine Autorin es schafft, dass das im Laufe der Geschichte nicht mal im Ansatz absurd wirkt und trotzdem nicht in billiger Metaphorik aufgelöst wird, ist eine der großen Stärken dieses Buches.“ Ja, es geht viel um Sexualität, aber eben nicht nur – und deshalb ist es so schade, wenn dieses Buch auf diesen Aspekt reduziert wird. Für mich stand vor allem Lou’s Veränderung in Anbetracht des Ortswechsels und des Alleinseins im Zentrum und das übergeordnete Thema der Beziehung zwischen Natur und Mensch. Engel öffnet in „Bär“ jedoch „vielfältige Deutungsräume“, wie auch Kristine Bilkau in ihrem großartigen Nachwort schreibt, denn sie verhandelt auf nicht einmal 200 Seiten scheinbar spielerisch auch große Fragen rund um die Themen Macht und Gewalt, um kanadische Geschichte und Kolonisierung und vermutlich noch zig andere, die sich mir erst bei einer wiederholten Lektüre erschließen werden. „Bär“ – ein literarisches Kaleidoskop also.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.