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Rezension zu
Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens

Unser Umgang mit neuen Technologien

Von: micropolis magazine
26.05.2022

Minutenlang stehe ich vor dem Eingang des oldenburger Rathauses und blicke auf die Inschrift über der Tür. "Erst warg's, dann wag's!" - ich muss einige Minuten grübeln, bis ich zum Kern des Satzes hervordringe. Dann der Aha-Moment: Erst denken, dann handeln. Ich wundere mich nicht, dass dieses Sprichwort kaum noch Verwendung findet. Wer hat schließlich noch Zeit nachzudenken, so schnell und penetrant wie Marken, Medien und Influencer uns heute Inhalte um die Ohren hauen. Gerade mit Blick auf die Entwicklung des Web 2.0 scheint Besonnheit fast altertümlich, schießlich steht sie Marktdominanz und Gewinnstreben der Tech-Riesen zwangsläufig im Wege. "Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens" von Richart David Precht buhlt bereits seit zwei Jahren im Regal um meine Aufmerksamkeit. Im Zuge von Blockchain-Boom und Meta-Mania gab ich in der vergangenen Woche endlich nach. Eine der zentralen Thesen in Prechts knapp 240 Seiten langem Werk ist dem Titel bereits eingeschrieben. In seinen Augen entfernt sich die Frage nach der technischen Zukunft des Menschen immer weiter von der Frage nach dem Sinn des Lebens. Ein Blick in die Vergangenheit lässt vermuten, dass technische Innovationen mit größerer Wahrscheinlichkeit dem Wunsch nach Geldmehrung oder Kriegsführung entspringen, als aus Altruismus oder Erkenntnissehnsucht hervorzugehen. Precht stellt in seiner philosophischen Annäherung dem technischen "Fortschritt" des Menschen das Aufkommen der Klimabewegung gegenüber und verweist zurecht auf Energieverbrauch, Ressourcenausbeutung und CO2 Emissionen, die mit der Entwicklung einhergehen. Er argumentiert, dass auch wenn wir uns durch unseren Verstand von Tier und Umwelt unterscheiden, es nicht das logische Denken ist, das unsere Menschlichkeit ausmacht. Anders als Programme denken wir nicht regelbasiert und können inkonsequent handeln. Diese Eigenschaft kommt uns in vielerlei Hinsicht zu Gute - immerhin erlaubt sie uns Mitgefühl zu entwicklen und unserer Intuition zu folgen. Gleichzeitig sorgt sie aber auch dafür, dass wir anstatt abzuwarten und unseren Umgang mit einer neuen Technologie erstmal logisch zu betrachten, sprunghaft und nicht selten egoistisch handeln anstatt das berühmte "Große Ganze" mitzudenken. Eine der grundlegenden Problematiken der technischen Entwicklung sieht Precht in der kapitalistischen Ideologie des unbedingten Wachstums, die uns als Menschen davon abhält, die Frage nach dem Sinn vor die nach dem Gewinn zu setzen. Bewusst unterscheidet er zwischen technischer Entwicklung und technischem Fortschritt, denn nicht jede technische Errungenschaft ist eine Innovation und trägt dazu bei, das Leben des Menschen zu bereichern. Das Buch lässt mich nachdenklich zurück. Ginge es nicht um Macht und Gewinn wäre es doch zweifellos die Frage nach dem Warum, die jeder technische Entwicklung und jeder menschlichen Handlung voran ginge. Und diese Frage stellt sich selbstverständlich nicht nur im Kontext unternehmerischer Tätigkeit mit Blick auf Wirtschaft und Gesellschaft. Am Ende geht sie auf jeden Einzelnen zurück, der durch seine Werte und Entscheidungen die Welt ein kleines Stückchen mit prägt. Eine Lese-Empfehlung für jeden, der Lust hat eine neue Perspektive auf Technologie zu bekommen.

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