Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Unser Glück

Fremd in den eigenen vier Wänden

Von: Bjoernandbooks
03.05.2022

Diese Gelegenheit können sie sich nicht entgehen lassen. Auf der Suche nach einer größeren Wohnung in München gerät Coordt bald an seine Grenzen: zu teuer, zu weit draußen, einfach nicht groß genug! Doch bei einer Massenbesichtigung die Chance: eine riesen Wohnung mitten im Zentrum zu einem erschwinglichen Preis! Keine*r scheint wirklich interessiert... Der Grund: Die Vermieterin vermietet einen „Hausgast“ mit, ihren Ex-Mann, der eines der Zimmer mit separatem Bad plus Küche weiterhin bewohnen soll. Coordts Frau Franziska kann sich mit dieser Vereinbarung bestens arrangieren, auch wenn Coordt skeptisch bleibt. Als der Einzug vollzogen ist, scheint zunächst alles wunderbar zu laufen: Franziska, nach der Schwangerschaft mit Depressionen kämpfend, blüht auf. Die Ehe entspannt sich merklich. Doch nun stellt der sterbenskranke Mitbewohner Bobo eine Bedingung mit einer verlockenden Aussicht. Geht die junge Familie auf das Angebot ein? „Kann man mit glanzlosen Augen erkennen, dass die Augen glanzlos sind?“ (S. 183) Schon nach wenigen Seiten der Lektüre wird deutlich, dass der Titel „Unser Glück“ mit Vorsicht zu genießen ist, denn Natalie Buchholz kreiert eine Situation, die ungewöhnlich, ja nahezu skurril im ersten Moment anmutet, auf Dauer aber viel explosives Potenzial bietet. Der Druck, der sich zwischen Coordt und Franziska durch das getroffene Arrangement aufbaut, wird immer größer, lässt das Paar an die Grenzen ihrer Kräfte geraten. Besonders Coordt, den die Erzählstimme begleitet, wirkt zunehmend machtlos und in seinen Handlungen ausgebremst. Die Kommunikation zwischen ihr und ihm gerät ins Stocken; Verbote und Beschränkungen dominieren die Beziehung. Trotz seiner mehrheitlichen Unsichtbarkeit wird Bobo zur alles beherrschenden Instanz. Stilistisch arbeitet sich Buchholz in einer sehr klaren, schnörkellosen, unaufgeregten Sprache voran. Gelegentlich erinnert ihre Ästhetik eher an die Knappheit von Kurzgeschichten; short-story-artig arbeitet sich die Autorin mit einem hohen Maß an Pragmatismus durch ihre Erzählung. Das mag zunächst etwas zu leicht und niederschwellig für die verhandelten Themen der Kommunikations- und Wehrlosigkeit innerhalb der Paarbeziehung anmuten, spiegelt es aber auf der anderen Seite genau diese Thematiken im Formalen. Mehr und mehr spitzt sich die Lage zwischen Coordt und Franziska zu; die Brüchigkeit des Miteinanders gerät an die Oberfläche, wird von Coordt besonders gegen Ende in Gesprächen mit seinem ehemals besten Freund Erik, der plottechnisch etwas rapide und unvermittelt auf den Plan tritt, reflektiert. Fragen des gesellschaftlichen Drucks, des „Es besser haben“-Wollens, des „Dem Kind eine bessere Zukunft bieten“-Wollens stehen der Emotionalität von Beziehungen gegenüber und scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Diese Polarität zeigt ein fast schon erschütterndes, in jedem Fall kritisch zu beäugendes Zerrbild unseres Miteinanders auf: Sind das Materielle und das Gefühl gelegentlich einfach gar nicht miteinander vereinbar? Muss man*frau sich im Zweifel entscheiden? Sind wir zu gierig und vergessen die wesentlichen Werte im Leben? Diesen Fragen geht Natalie Buchholz nach, überlässt uns jedoch final keine allgemeingültigen Antworten. Gut so! Das von ihr in „Unser Glück“ skizzierte Szenario mag besonders und eigenwillig erscheinen, kann aber als eindrucksvolle Parabel auf die Gegenwart, in der Konsum und Status oftmals dominieren, betrachtet werden. Ein Buch, das unscheinbar, gelegentlich stilistisch fast ein wenig beliebig erscheint, das aber ein beträchtliches Echo nach sich zieht! Minimalistisch-pur!

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.