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Rezension zu
Todesschmerz

Showdown in Norwegen

Von: Wolfgang Brandner
23.03.2022

Bereits vor dem Erscheinen des mittlerweile sechsten Teils der Reihe um Maarten S. Sneijder hat Andreas Gruber angekündigt, dass dieses Mal jemand aus dem Ermittlerteam sterben wird. Ein dramaturgisch brillianter Zug, um die Neugier seiner Leser:innen anzufachen. Am Ende des Vorgängers, “Todesmal”, waren die Hauptfiguren einem Maulwurf innerhalb des deutschen Bundeskriminalamts BKA auf der Spur. Andreas Gruber greift den Faden auf und spinnt ihn weiter. Wir erleben Sneijder und seine Mitstreiter, wie sie den Kreis der Verdächtigen immer weiter einengen, als sie plötzlich von dem Fall abgezogen und nach Norwegen geschickt werden. In Olso ist die deutsche Botschafterin unter mysteriösen Umständen ermordet worden. Die beliebte Serie lebt unbestritten von der Hauptfigur Maarten S. Sneijder, seinen Eigenheiten und der Interaktion mit seiner Umgebung. Leser:innen der Serie können aufzählen: Er kifft, leidet unter Clusterkopfschmerzen, die er mit Akupunkturnadeln behandelt, hat eine Vorliebe für Vanilletee und nötigt sein Gegenüber, anstelle einer Unterhaltung drei kurze Sätze zu formulieren. Die Gefahr einer solchen originellen Figur besteht darin, dass sie auf Dauer zur Karikatur ihrer selbst wird. Tina Martinelli imitiert ihn bereits: ‘Ersparen Sie uns jetzt bitte eine rührselige Ansprache.’ Tina hob drei Finger. ‘Sagen Sie uns lieber, wie wir vorgehen.’ Sneijder verzog das Gesicht. ‘Sie werden mir immer ähnlicher, Martinelli’, stellte er fest. ‘Nach diesem Fall brauchen Sie dringend Urlaub.’ (S. 342) Weiterentwicklung ist daher unumgänglich. Der sprichwörtlich weiche Kern ist von einer panzerharten Schale umgeben. Je mehr Vertrauen Sneijder aber insbesondere zu seiner Partnerin Sabine Nemez fasst, desto mehr bröckelt die Schale. Sneijder zeigt ein breiteres Emotionsspektrum als sonst. Er sehnt sich nach Zuneigung, hadert mit einem beginnenden Burnout. Er ist selbstkritisch und ebenso verletzend wie verletzlich. Weil er sich jedoch nach wie vor mit sorgsam kultivierter Misanthropie von neuen Begegnungen abschottet, bleibt ihm sein Markenzeichen erhalten: ‘Sie wissen, warum ich Sie begleite.’, sagte sie kühl. ‘Sie brauchen mich.’ Dann setzte sie sich in Bewegung, und Sneijder und Sabine folgten ihr notgedrungen. ‘Um die Wahrheit zu sagen, ich brauche Sie so dringend wie eine Zyste am Arsch’, sagte Sneijder. ‘Aber Sie könnten sich nützlich machen, mein Handgepäck tragen und darüber hinaus dafür sorgen, dass Sie mir nicht im Weg herumstehen.’ (S. 86) Der Roman ist in einer Zeit entstanden, in der Reisen in andere Länder ein nahezu unmögliches Unterfangen waren. Umso mehr Respekt gebührt dem Autor daher für die bildhafte Schilderung der norwegischen Topographie. Hätte der Autor im Nachwort nicht eingeräumt, einen Berg und einen Fjord erfunden zu haben, wäre der Kunstgriff wohl den wenigsten aufgefallen. Die Umgebung gibt sich kalt, regnerisch, urtümlich, sodass beim Kameraüberflug im Kopfkino die Phantasie die unbeleuchteten Ritzen mit Leben erfüllt. Eine solche Kulisse für eine Verfolgungsjagd ist durchaus auch in einem James Bond-Film vorstellbar. Ebenfalls an 007 erinnert der wohlhabende kriminelle Gegenspieler mit seinem wortkargen, nahezu unbesiegbaren Leibwächter-Assistenten. Um das Bild abzurunden, mündet die Handlung in einen Showdown, der für die Verfilmung das Budget eines Hollywood-Actionstreifens erfordern würde. In den bisherigen Teilen der Reihe hat Andreas Gruber ein originelles Team für unkonventionelle Methoden ersonnen. Dass er nun den Zusammenhalt dieser Gruppe so fundamental erschüttert, unterstreicht die Brisanz der Situation. Die sich zuspitzende übergeordnete Handlung trifft auf jene des aktuellen Falls. Sneijder und sein Team sind somit Bedrohungen aus zwei Quellen ausgesetzt und können sich keine Pause leisten. Die permanente Anspannung ist auch beim Lesen spürbar – aber wer beim sechsten Teil der Serie angelangt ist, weiß ohnehin, worauf er/sie sich einlässt. Darauf vertrauend, verzichtet der Autor weitgehend darauf, seine Figuren einzuführen. Eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse wäre hilfreich gewesen, fehlt aber kaum. Die obligaten kleinen Cliffhanger entwickelt Gruber zur Meisterschaft. Jedes Kapitel steuert zielgerecht einen Höhepunkt an, um dann einen kurzen Blick in den Abgrund zu gewähren, ehe die Perspektive wechselt. Mittlerweile stehen der Titel und der Inhalt des siebten Sneijder-Romans bereits fest, so viel sei verraten. Dessen Inhaltsangabe verrät den Ausgang von “Todesschmerz” – akute SPOILERWARNUNG also. Persönliches Fazit Andreas Gruber erfüllt die hohen Erwartungen an die Reihe und lässt Nemez & Sneijder in spannungsgeladener Action und sehr persönlichen Momenten brillieren. Die Fortsetzung wird sehnsüchtig erwartet.

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