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Rezension zu
Palast der Miserablen

Eine Liebeserklärung an Literatur unter prekären Bedingungen

Von: not_without_my_books
15.02.2022

Abbas Khiders Schreibweise führt bei mir immer wieder zu inneren Aushandlungsprozessen. Entweder, die Bücher gefallen mir sehr - wie bei "Die Orangen des Präsidenten" - oder gar nicht, im Falle des "falschen Inders". Den "Palast der Miserablen" habe ich, nachdem ich den "falschen Inder" erst kürzlich gelesen habe und sehr enttäuscht war, entsprechend vorsichtig und skeptisch gelesen. Dabei wurde ich aber mehr als positiv überrascht. Dieser Roman ist nicht nur eine Liebeserklärung an Bücher generell, sondern vor allem an Kunst und Literatur als Zufluchtsorte. Dies verbindet sich mit Kritik der prekären Stellung von Literatur in einer Diktatur. Der Protagonist Shams lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester im Irak Saddam Husseins, nahe der Kuwaitischen Grenze. Die Kriege treiben die Familie nach Bagdad, wo sie sich im "Blechviertel" eine Unterkunft aus Müll zusammenzimmern - damit gehören sie zum ärmsten Teil der Stadtgesellschaft. Mit Gelegenheitsjobs halten sie sich über Wasser, teilen die kleine Hütte auf engstem Raum, mit entsprechend wenig Privatsphäre. Zwar entsteht im neuen und stetig von neuen Kriegsflüchtlingen vergrößerten Viertel so etwas wie ein Gemeindeleben, aber im Fokus steht das Überleben - während das Regime Propaganda betreibt, ein falsches Wort genügt, verdächtig zu sein und gefangengenommen zu werden und soziale, politische und religiöse Normen miteinander streiten. Unter diesen prekären Bedingungen wächst Shams auf, wobei Bücher und die Weltflucht in diese für ihn zunehmend zur Rettung werden. Er knüpft Kontakte zu anderen Literaturfans, berührt dabei zunehmend auch Teile der widerständigen bis hin zu regimekritischen Kulturszene Bagdads. Die gibt ihm Halt, doch gleichzeitig wird deutlich, wie unfrei dies in einem solchen Regime ist - nicht zufällig natürlich sind es gerade auch Bücher, die strenger Zensur unterliegen. So ist das Lesen in dieser Situation immer begleitet vom Wissen um politische Einschränkungen. Besonders spannend fand ich es, zu erfahren, wie in einer solchen Situation überhaupt gelesen werden kann - denn das Embargo gegen den Irak bedeutete natürlich auch, dass kaum Bücher ins Land kamen. Durchbrochen werden die Episoden des Aufwachsens durch kurze Kapitel, in denen Shams im Gefängnis sitzt (das Muster kennt man bereits von den "Orangen des Präsidenten") und die Auflösung, warum er festgenommen wurde, zeigt einmal mehr die Kontrolle und Unterdrückung der Diktatur, in der sehr spezifische und strenge Regeln darüber herrschen, was erlaubt ist und was bestraft gehört. So ist es insgesamt ein Coming of Age-Roman, aber einer, der den Leser*innen deutlich vor Augen führt, wie prägend die Umgebung sich aufs Heranwachsen auswirkt, wie schwierig es ist, in einer Diktatur einen Weg für sich zu finden, wie sehr nicht nur gesellschaftliche, sondern auch familiäre Verbindungen davon geprägt sind - zumal, wenn man zu arm ist, um sich durch Bestechung die Freiheit und das Exil zu "erkaufen", wie es einige wohlhabendere, oppositionelle Iraker*innen tun können. Und gleichzeitig ist es kein ausschließlich trauriger Roman, da gerade auch die Momente im Zentrum stehen, in denen sich Shams und seine Familienmitglieder Wege suchen, um mit allem umzugehen - freilich müssen diese Momente für uns nicht immer verständlich oder nachvollziehbar sein. "Palast der Miserablen" hat mich wieder mit Khider versöhnt, mich in seinen Bann gezogen und das inhaltlich wie sprachlich. Dabei ist es innerhalb kurzer Zeit zu meinem bisherigen Liebling von Khiders Werken geworden.

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