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Rezension zu
Grenzgänge

Eine bewegende Geschichte über einen ruhelosen "Grenzgänger" mit tollen Plot Twists

Von: buchlesenliebe
24.01.2022

„Ich bin ein Mann, der keine Frau sein kann, der aber manchmal aussehen kann wie eine Frau, wenn ich es will. Das ist meine beste Eigenschaft, eine Maskerade, die ich an- und ablegen kann, wann es mir passt“ (S.9) 1998 in Rom nach einem Suizidversuch. Der 22-jährige Bujar erinnert sich zum Romanauftakt an den Beginn der 1990er in seiner Heimatstadt Tirana. Eine Zeit politischer Umbrüche, eingeläutet durch das Ende der kommunistischen Herrschaft. Bujar erzählt vom Tod seines schwerkranken Vaters, der eine Vorliebe für Volksmärchen hatte, von den folgenden Depressionen seiner Mutter, der Entführung seiner Schwester Ana durch Menschenhändler. Und Bujar erinnert sich an Agim - seinen besten Freund, den Menschen, den er vermutlich am meisten liebte, mit dem er sich identifizieren konnte, eine „semi-sexuelle“ Beziehung pflegte, von dem er sich verstanden fühlte und mit dem er sich einst auf der Suche nach einer besseren Zukunft auf die beschwerliche Flucht nach Italien begab. Eine jugendliche unbedachte Kurzschlussreaktion basierend auf dem Wunsch, der Trostlosigkeit, den zahlreichen Entbehrungen, der Armut, dem Hunger und familiärer Gewalt zu entkommen. Eine Entscheidung, die schwerwiegende Folgen haben wird. Jahre später begibt sich Bujar auf eine Odyssee durch verschiedene Hauptstädte Europas und in die USA. Bujar ist ein ruheloser, getriebener Grenzgänger, immer auf der Suche nach sich selbst, in verschiedene Rollen schlüpfend, lügend, geschichtenerzählend, grenzüberschreitend, bindungsunfähig, geprägt durch immense Verlusterfahrungen, ungeheilter Trauer, sich stets zwischen verschiedenen Sexualitäten, Geschlechtern, Nationalitäten und Identitäten bewegend. Wird er seine Vergangenheit jemals bewältigen und heilen können? „Grenzgänge“ des finnisch-kosovarischen Autors Pajtim Statovci hat mir trotz einiger Längen und einer leichten Idealisierung gängiger Körpernormen/Schönheitsideale des (nicht immer sympathischen) Erzählers unglaublich gut gefallen. Ein partiell sehr deprimierender und bedrückender Roman, der normative Konstrukte und Kategorien von Gender, Identität, nationaler Zugehörigkeit und Sexualität kritisch infrage stellt. Überzeugt haben mich vor allem die gelungenen unerwarteten Plot Twists, das erzählerische Spiel mit den Irritationen und die starke Figurenzeichnung. Außerordentlich berührt haben mich die Passagen, in denen die Beziehung und Fluchterlebnisse zwischen Bujar und Agim im Fokus stehen. Sehr gut gefallen haben mir aber auch im Nachhinein die Rückblenden nach Albanien, die kulturell sinnvoll eingebetteten Volksmärchen sowie das ergreifende Wiedersehen mit Bujars Mutter. Ein Buch, dessen strukturellen Aufbau und Inhalt ich persönlich erst am Ende richtig wertschätzen konnte. Warum?! - das muss man selbst erlesen😏. Das Ende ist eine emotionale Wucht und lässt letztendlich wirklich verstehen und mitfühlen. Übersetzt von Stefan Moster. TW: Vergewaltigung, Suizid, körperliche und psychische Gewalt gegenüber trans Menschen.

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