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Rezension zu
Dürre

Bis zur Mitte gut

Von: Sabine Ibing
09.01.2022

Der Anfang: «Nicht im Traum hätte Alex Baumgart jemals gedacht, dass ein zerknitterter, nach Bier stinkender Kassenbon einer verrauchten Studentenkneipe in Karlsruhe sein Leben verändern würde. Doch manchmal hielt das Schicksal Überraschungen bereit.» Das Szenario der Dystopie ist in unsere Zukunft gedacht – gar nicht weit entfernt. Der Klimawandel beschleunigt sich unaufhaltsam – die Regierungen bekommen es nicht in den Griff. Wie soll man den CO²-Fußabdruck von Firmen und Bürgern messen und die disziplinieren, die sich falsch verhalten? Dürren und Ernteausfälle nehmen weiter weltweit zu, Wetterkatastrophen machen den Menschen zu schaffen. Alex Baumgart macht sich Gedanken, wie man CO² sparen kann, regt sich auf über die Pflicht auf, Kassenbons auszustellen – sogar der Wirt seine Lieblingskneipe muss ihm einen für sein Bier ausstellen. Nicht zu fassen! «Damit könnte man den Äquator fünfzigmal umwickeln. Zur Herstellung dieser Papiermassen werden 12 500 Tonnen Holz verbraucht. Das entspricht etwa 8500 Fichten mit einer Höhe von 25 Metern und einem Durchmesser von 0,4 Metern. Um es dir anschaulicher zu machen: Das entspricht einem gefällten Baum pro Stunde! Ist das zu fassen?» Alex überlegt. Jeder einzelne Mensch ist ein Faktor – das muss man doch berechnen können! Davon ausgehend setzt er sich hin und programmiert eine App. Alex ist zwar ein Superhirn, aber niemand, der sich verkaufen kann. Darum holt er sich seinen Kumpel Tom ins Boot. Gemeinsam präsentieren sie diese App der EU-Kommission: Eine App, die den CO²-Fußabdruck eines jeden Bürgers und das jedes Unternehmens kontrollieren kann! Die EU Kommission schlägt zu: Deal! Und umgehend wird die App «Aequitas» verpflichtend für jeden Bürger eingeführt. CO²-Credits sind die neue Währung! Die Bürger erhalten Credits; jedoch für jeden Verbrauch (Benzin, Strom, Fahrten mit der Bahn, Wasser usw.) werden Credits automatisch zentral abgezogen; sichtbar auf der App. Wer sparsam ist, kaum etwas verbraucht, kann seine überschüssigen Credits verkaufen, sich etwas dafür kaufen. Wer jedoch zu viel verbraucht, wird sanktioniert. Dummerweise fallen in diesem Szenarium viele Menschen aus dem System. Sie werden obdachlos und hungern. Die Schere zwischen reich und arm schnappt immer weiter auf. Ein paar Jahre später: Die EU hat landwirtschaftliche Betriebe verstaatlicht, nur kleine Höfe durften in Privateigentum bleiben; Extremwetterlagen zerstören Ernten, extreme Hitze lässt Ernten verdorren. In ganz Europa herrscht Hungersnot, Nahrungsmittel werden fast nur noch per Lebensmittelgutschein verteilt, die Länderzuteilung seitens der EU richtet sich nach der jeweiligen CO²-Emission. Die Kontrollgesellschaft für CO² heißt ACON, ist die Macht im Staat. Die Geschwister Julian und Leni betreiben einen kleinen Hof in Bayern. Als durch eine defekte Solaranlage der Schweinestall abbrennt, fliegt ihr Schwindel auf. Offiziell gehört der Hof dem Vater, doch der hatte im Sterben dazu geraten, seinen Tod nicht zu melden, denn Leni, noch nicht volljährig, würde wahrscheinlich vom Jugendamt abgeholt. Und so blieb alles beim Alten: Der Verbrauch des CO²-Fußabdrucks für den Haushalt wird für drei Personen berechnet, sie erhalten Lebensmittelmarken für drei. Julian wird nun wegen Betrugs angeklagt und Leni wird zum verhassten Onkel nach Frankfurt gebracht, der mit «Urban Mining» (Häuser abreißen und die Rohstoffe recyceln) und als Bauriese in Frankfurt viel Geld verdient. Er lebt in Saus und Braus in einer riesigen Wohnung mit Klimaanlage und vollem Kühlschrank; hier gibt es sogar Käse, Wurst und Fleisch. Während Leni sich noch wundert, warum sich ein «Bluthund» (oberste Fahnder der ACON) für den kleinen Betrug der Geschwister interessierte, hört sie durch Zufall heimlich beim Onkel ein Gespräch mit. Denn genau dieser «Bluthund», der auf ihrem Hof auftauchte, macht illegale Geschäfte mit dem Onkel. Ist «Aequitas» manipulierbar? So sehr wie mir der Anfang des Thrillers gefallen hat, nach gut der Mitte schlug der Schreibstil um. Sehr spannend, keine Frage, doch vom wissenschaftlichen Thriller keine Spur mehr, sondern reines Actionszenario, an einigen Stellen unglaubwürdig. Das Thema der App und des Überwachungsstaats ist im Actiontrubel aus der Story herauskatapultiert worden. Man hatte das Gefühl, plötzlich bei einem anderen Autor gelandet zu sein. Ich habe dann wirklich mal das Cover angeschaut – real, ich war immer noch beim gleichen Roman. Schade. Mal schnell in einem öffentlich zugänglichen, kritischen Internetforum nach einem Hacker für Staatssoftware fragen – und schon meldet sich der Beste der Besten. Ich hatte eher damit gerechnet, dass der Staatsschutz an der Tür anklopft. Die Geschwister Julian und Leni tapsen extrem naiv und unwissend durch die Geschichte. Auf der einen Seite hat Julian einiges technische Knowhow drauf, Solartechnik und digitale Steuerung von landwirtschaftlichen Geräten, trickst die App aus, aber andererseits scheint er banalste digitalen Überwachung nicht zu kennen. Das Ende war etwas abrupt und für mich keinesfalls schlüssig. Die digitale Überwachung durch die App kam mir letztendlich viel zu kurz. Hier hatte ich nach dem guten Anfang ein wenig mehr erwartet. Was macht sie mit den Menschen? Auch darin, was sich in der Zukunft für die Menschen geändert hat. Technische Raffinessen! Wir befinden uns in der Zukunft, aber die Menschen haben Smartphones, Kopfhörer, Smartwatches, TV, Solardächer, fahren SUVs und mit Bundesbahn, die immer noch unter Verspätung leidet, nachts nicht fährt; die Bauern züchten Hühner und Schweine, düngen herkömmlich; man duscht trotz Wassermangel; keine Ideen für die Zukunft ... Insgesamt ein sehr spannender Thriller, keine Frage. Gut ist der Blick auf die Welternährung, Explosion der Geburten zur Sterberate, Verbrauch von Nahrungsmitteln und das wiederum mit der Produktion von Nahrung im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Was können wir uns noch erlauben und was könnte auf uns zukommen? Das wird mit Fakten gut im Nachwort erläutert. Genau das, was ich hier finde, hätte ich mir eingebunden in die Story gewünscht, dafür weniger Daueraction als Drehbuchvorlage. Der Mensch lernt oft nur durch Verbote bzw. Gesetzesänderungen, die ein Verhalten verändern. Ein guter Ansatz zur Erfindung der App «Aequitas». Totale Überwachung! Lassen die Menschen der EU sich das einfach so schnell vorschreiben? Untergrundbewegungen, illegaler Credit-Handel; das wäre für mich eine logische Konsequenz gewesen. Nach dem guten Anfang zu einem sehr interessanten Thema muss ich letztendlich sagen, dass die Protagonisten leider insgesamt zu plakativ sind, im Konstrukt schwächeln, ebenso die zweite Hälfte des Buchs. Das Ende klang, als wenn der Abgabetermin drückte. Denn hier fehlte eine Menge. So, wie es ist, glaubt es keiner. Spannendes Buch für zwischendurch – aber letztendlich dann doch kein Wissenschafts-Thriller, sondern ein Actionroman. Uwe Laub kann es besser; das hat er mit den ersten zwei Büchern gezeigt. Klasse Thema, gute Denkansätze. Uwe Laub wurde 1971 in Rumänien geboren. Er war zwei Jahre alt, als seine Eltern mit ihm nach Deutschland zurückkehrten. Laub arbeitete mehrere Jahre im Pharma-Außendienst, seit 2010 führt er das Unternehmen eigenständig. Seine Liebe gilt dem Schreiben. Für seine Wissenschafts-Thriller recherchiert er jahrelang. Sein Roman »Sturm« wurde zum Bestseller.

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