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Rezension zu
Die Entscheidung

Cordonnier schreibt brilliant von den zerstörerischen Kräften einer toxischen Beziehung

Von: Zeilentaenzer
05.11.2021

Die vierköpfige Familie, bestehend aus Vater, Mutter und zwei Kindern, lebt in Paris. Oberflächlich und auf den ersten Blick betrachtet könnte man meinen, dass es sich um eine Bilderbuchfamilie handelt. Sieben Jahre ist es her, dass Aurélien seine Frau zuletzt auf übelste Weise beleidigte und erniedrigte. Er hat daraufhin versprochen, dass er sich ändern werde. Viele Jahre hat es funktioniert. An einem Wochenende, dass die Familie in der Normandie verbringt, passiert es wieder. Worte, die sie auf ein Nichts reduzieren, sie so scharf treffen, dass es weh tut. Später wird es Aurélien wieder leid tun und die Kinder sollen nicht ohne ihren Vater aufwachsen. Dennoch, das weiß sie, kann sie so nicht weitermachen. Ich habe mich entschieden an dieser Stelle eine Triggerwarnung zu setzen. Es sei vorweg gesagt, dass sich das Buch nur zu Gemüte führen sollte, wer sich mit dieser Thematik auseinandersetzen kann. Eigene Erfahrungen in Verbindung mit dem Erzählten können durchaus für Betroffene schwer ertragbar sein. Es war der Klappentext, der meine Neugierde weckte und letztlich die Umsetzung der Handlung, die mein anfängliches Interesse bestätigte. Cordonnier widmet sich in ihrem literarischen Debüt einer äußerst brisanten und sensiblen Thematik. Die Ehe zweier Menschen, die nicht ohne einander können und die vorwiegend von Abhängigkeit, Macht und verbaler Gewalt geprägt ist. Schon auf den ersten Seiten wird eine Szene geschildert, in der Aurélien seine Frau vor den Augen und Ohren seiner Kinder demütigt, indem er sie beschimpft und beleidigt. Sofort drängt sich einem als Leser:in die Frage auf, wie es zu solch einem Verhalten kommen konnte. Die Antwort darauf liefert Cordonnier nach und nach, indem sie Einzelheiten zu einem Bild zusammensetzt. Mir fiel es schwer zu glauben, dass Aurélien seine Ausbrüche über einen Zeitraum von immerhin sieben Jahren unterdrücken konnte, denn seine Worte sind schier unglaublich, oft obszön und zutiefst herabsetzend und beschämend. Es kam immer wieder zu Trennungen, Versöhnungen, Besserungen und Verschlechterungen. Weil sie nicht mehr damit rechnete und nun umso verzweifelter ist, dass Aurélien es wieder getan hat, wendet sich die Protagonistin an ihre beste Freundin Marie und vertraut ihr nach all den Jahren an, welche Grausamkeit ihr Mann in sich trägt. Am 18. Dezember stellt sie sich selbst ein Ultimatum und möchte bis zum 3. Januar, ihrem Geburtstag, eine Entscheidung bezüglich ihrer Ehe treffen. Darauf baut die Handlung fortan auf. Immer wieder kommt es zu verbalen und grenzverletzenden Explosionen seitens Auréliens, sodass die Entscheidung aus Lesersicht auf der Hand liegt, zumal auch die Kinder inzwischen erste Anzeichen schwerer Traumata zeigen. Amélie Cordonnier schreibt mit einer solchen Wucht an Emotionen und Gewalt, dass es mir als Leserin oft die Sprache verschlug. Eindringlich und ohne zu beschönigen erzählt sie von einer schädlichen Verbindung zweier Menschen, in der es nur Verlierer geben kann. Der Roman ist in der 2. Person Singular geschrieben. Nicht jedem mag dieses Stilmittel liegen, mir gefiel genau das besonders gut. Durch die direkte Ansprache wird die Heftigkeit der Handlung unterstrichen, da sie wie ein Fingerzeig wirkt und die Geschehnisse sehr nah kommen lässt. Natürlich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie wohl er sich damit fühlt. Die Autorin wählt zudem einen sachlichen Ton und vermeidet es zu werten. Ein beeindruckendes Debüt, das noch lange in mir nachhallen wird. Was für ein Buch! Cordonnier gelingt es auf nur knapp 180 Seiten die zerstörerischen Kräfte einer toxischen Beziehung aufzuzeigen und ihre Leserschaft bis ins Mark zu erschüttern.

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