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Rezension zu
Über Menschen

Leseempfehlung für alle!!

Von: Marie
18.09.2021

INSGESAMT: 4,5/5 Sterne Dieses Buch war auf eine so schön erfrischende Art gesellschaftskritisch. Nicht die Art, die oben drauf haut, Schuldige sucht (und findet) und alle und alles tadelt, sondern diejenige, bei der der Fokus nicht auf „Kritik“, sondern auf „Gesellschaft“ liegt, auf den Menschen selbst - auf denjenigen, die sich für Übermenschen halten. Der Beginn des Romans ist ruhig, ein bisschen langatmig, es wird oft zwischen verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit und der Gegenart hin- und her gesprungen, ohne tatsächlich Zeiten zu beziffern oder Anhaltspunkte zu liefern, was manchmal schwer zu verfolgen war. Dennoch liefert die Geschichte viele lebensnahe und aktuelle Themen, es werden gegenwärtige Probleme angesprochen, allen anderen voran der Beginn der Corona-Pandemie, während dem die Geschichte spielt. Es war wirklich interessant und lustig, die ganzen Gefühle und Gedanken des ersten Lockdowns so in verschriftlichter Form vor sich zu haben, insbesondere aus heutiger Sicht, in der das alles irgendwie schon wieder anders ist - nur leider noch lange nicht vorbei. In den Schreibstil muss man erst einmal herein finden, er ist grammatikalisch sehr simpel, allerdings durch die eloquente Wortwahl dennoch unfassbar ausdrucksstark und oftmals bedeutungsschwer. Vor allem gegen Ende schafft Juli Zeh es durch die aufgeworfenen Fragen und Gedanken trotzdem, einen zu Tränen zu rühren. Während es in den ersten 2/3 hauptsächlich um politisch heiß diskutierte Themen geht, wird es danach immer persönlicher, was mich ziemlich unerwartet getroffen hat und mehr berührt hat, als zu Beginn gedacht. Um ehrlich zu sein, zwischendurch habe ich mich immer wieder gefragt, welche Message dieses Buch denn jetzt eigentlich verbreiten möchte, bis ich gemerkt habe, dass genau das eine der vielen getroffenen Aussage ist: Es muss nicht immer eine eindeutige Message geben, Unklarheit ist auch mal in Ordnung. Man muss nicht immer eine Seite wählen, es ist nicht alles nur Schwarz/Weiß, absolute Aussagen sollten hinterfragt werden. Dies hat sich auch in der Hauptprotagonistin Dora widergespiegelt, die unentschlossen war, sich in dem Chaos verloren gefühlt hat und sich von Anfang an schwer getan hat, zu wissen, was sie jetzt eigentlich denken, sagen und machen soll. An vielen Stellen der Geschichte konnte ich mich sehr gut mit ihr identifizieren und habe es als entspannt empfunden, nicht zu einer konkreten Meinungsbildung gezwungen zu werden. Man begegnet in diesem Buch vielen verschiedenen Menschentypen und Sichtweisen, bei denen gezeigt wird, dass Vorurteile nicht immer stimmen müssen - es aber durchaus auch mal können. Man lernt, dass eines nicht immer das andere ausschließt, es immer mehrere Perspektiven und Erklärungen gibt und Menschen nicht in Schubladen gesteckt werden können. Ich war ständig hin- und her gerissen, was ich von dem ganzen Passierten halten soll, die Nebencharaktere waren irgendwie schwer einzuschätzen, weil sie einfach nicht in die „üblichen“ Muster gepasst haben, die man (leider) immer im Kopf hat - was dann direkt zur nächsten Selbstreflexion führt. Auch hier gilt nun mal, dass man nicht alle Menschen über einen Kamm scheren kann, auch nicht diejenigen, die vermeintlich alle in die eine (zu) große Nazi-Schublade passen. Der Roman gipfelt schließlich in der Frage, ob man als Nicht-Nazi denn nun tatsächlich ein Übermensch sei, automatisch besser als alle anderen. Und ob man dadurch ausnahmslos allen Nazis wirklich den erbarmungslosen Tod wünschen würde.

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