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Rezension zu
Carls Buch

Das schlimmste Schicksal

Von: Fraedherike
30.08.2021

„Ich spüre dich noch immer. Mein Körper versteht gar nicht, dass du nicht da bist.“ (S. 17) [TW: Tod, Trauer] Ein Anruf, drei Worte, die alles verändern, das Leben verändern, indem sie eine feste Konstante einfach auslöschen, für null und nichtig erklären und jeglicher Gedanken die Wärme, die Sinnhaftigkeit entziehen. Es ist im März 2015, als Naja Marie Aidts Sohn Carl mit 25 Jahren bei einem Unfall ums Leben kommt. Der Tod des eigenen Kindes, das wohl schlimmste, das einer Mutter passieren kann. Fassungslosigkeit trifft auf Unglauben, Verdrängung, ein brennender Schmerz, „wie Messerstiche im Fleisch“ (S. 34), die die Realität vor Augen führt. „Ich küsste deine Hand, und dein Hand war so kalt, dass die Kälte hinaufkroch in mein Gesicht, meinen Kopf, meinen Schädel; (...) kein Kummer [ist] so kalt wie deine Hand.“ (S. 16) In „Carls Buch“ (OT: Har døden taget noget fra dig så giv det tilbage - Carls bog, aus dem Dänischen übertragen von Ursel Allenstein) beschreibt Naja Marie Aidt unglaublich berührend und persönlich von dem tragischsten Moment ihres Lebens, wie sie im Kreise der Familie die letzten Stunden bis zur Feststellung des Hirntods ihres Sohnes verbrachte, wie sie seine Beisetzung erlebte. Dabei fokussiert sie sich allerdings nicht nur auf ihr persönliches Empfinden und Erleben, sondern setzt den Tod Carls in einen allgemeingültigen, weltlichen Kontext, zeigt auf, wie die Sprachlosigkeit des Geschehenen nicht nur sie, sondern auch andere Lyriker*innen und Autor*innen, gegenwärtig wie aus der Antike, an die Grenzen der Sprache führt, die Sprache verändert, vorsichtig und vage werden lässt, die Stille Raum zwischen den Worten sucht. Zusammenhalt, ein stabiles Umfeld, die Trost bringen, einem Halt geben, sind ebenso wichtig wie die Zuversicht und der Glaube daran, dass der von uns gegangene Mensch in unseren Gedanken und Erinnerungen weiterlebt – bis zu unserem Tod. Das Buch hat mich auf vielerlei Ebenen zutiefst bewegt und begeistert, es hat mich tief durchatmen, innehalten lassen, zum Weinen gebracht. Aidt schreibt fein, empathisch und findet an den richtigen Stellen Gedanken zum Reflektieren, indem sie weiterführende Denkanstöße gibt, die Tonalität und den Rhythmus durch sprachliche Wechsel zwischen Prosa, Lyrik und Epik moduliert und so ein ganz besonderes Erleben und Lesen schafft. Ein faszinierendes Buch! Herzlichen Dank an den @luchterhand_verlag und das @bloggerportal für das Rezensionsexemplar, sowie @gabegorsky für die wunderschöne Übersetzung!

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