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Rezension zu
Der Astronaut

Nicht perfekt, aber dennoch ein SciFi-Highlight

Von: Büchermonster
23.07.2021

„Der Marsianer“ in Blau ‒ das könnte man im ersten Moment denken, wenn man sich das deutsche Cover des neuen Romans „Der Astronaut“ von Bestsellerautor Andy Weir anschaut. Nicht nur dass der Titel ähnlich schlicht und prägnant gehalten ist, auch das Bildmotiv ist oberflächlich betrachtet nahezu identisch mit dem Werk, mit dem der amerikanische Autor seinen Durchbruch geschafft hat und welches nicht nur praktisch allen Ecken der Erde erfolgreich war, sondern einen nicht weniger profitablen Hollywood-Blockbuster mit Matt Damon nach sich gezogen hat ‒ nur eben mit dem Unterschied, dass das Cover diesmal in verschiedenen Blautönen statt des knalligen Rot-Orange des Marsianers gehalten ist. Hilfe, die Sonne stirbt! „I’m pretty much fucked.“ (bzw. auf Deutsch etwas weniger cool „Ich bin sowas von im Arsch.“) ‒ mit diesem denkwürdigen Ausruf begann damals das spektakuläre Abenteuer von Held Mark Whatney in „Der Marsianer“, und irgendwie lässt sich dieses Zitat fast 1:1 auf die Situation übertragen, in der sich Ryland Grace, der Protagonist von Weirs neuem Roman, am Anfang von „Der Astronaut“ befindet. Man könnte diesen wenig optimistischen Satz diesmal sogar ausweiten auf die gesamte Menschheit, denn für diese sieht es in dieser Geschichte überhaupt nicht rosig aus. Wie in vielen Science-Fiction-Storys steht die Bevölkerung der Erde nämlich wieder mal vor ihrer Auslöschung, was aber hier nicht (unmittelbar) auf den rasch voranschreitenden Klimawandel oder den Einschlag eines Meteoriten zurückzuführen ist sondern auf die Sonne, die aus mysteriösen Gründen rapide an Energie verliert ‒ mit verheerenden Konsequenzen für die Erde, die dadurch innerhalb weniger Jahre für die Menschheit unbewohnbar werden könnte. Der vielleicht letzte Spielzug der Menschheit „Hail Mary“ ‒ dieser Ausdruck bezeichnet im Englischen nicht nur das katholische Gebet „Ave Maria“, sondern auch einen Spielzug im American Football, bei dem der Quarterback (also der Spielmacher) im Angesicht einer drohenden Niederlage den Ball aus nahezu aussichtsloser Situation weit in die gegnerische Endzone wirft, in der letzten Hoffnung, dass irgendwie doch noch in letzter Sekunde ein Passempfänger den spielentscheidenden Touchdown schafft. Da wirkt es äußerst passend, dass „Hail Mary“ nicht nur der Originaltitel dieses Buches ist, sondern auch der Name des Raumschiffs, mit dem Protagonist Ryland Grace auf die alles entscheidende Mission zur Rettung der Menschheit ins All geschickt wurde. Blöd nur, dass dieser zu Beginn der Geschichte ohne Gedächtnis aus dem Komaschlaf erwacht und Lichtjahre von der Erde entfernt überhaupt keine Ahnung hat, wo er überhaupt ist und was zur Hölle er ganz alleine an Bord eines Raumschiffs machen soll ‒ denn seine einzigen beiden Teammitglieder haben den jahrelangen Schlaf nicht überlebt und liegen als mumifizierte Leichen neben ihm… Wer bin ich und was mache ich eigentlich hier? Man muss aufpassen, nicht zu viel über die Handlung von „Der Astronaut“ zu verraten, denn die Geschichte ist so aufgebaut, dass Hauptfigur und Leser:innen zu Beginn gleichermaßen mit einigen großen Fragezeichen dastehen und mühsam herausfinden müssen, was in diesem Buch überhaupt vor sich geht. So wird die Story dann auch auf zwei Handlungsebenen erzählt: zum einen durch die Ereignisse an Bord der „Hail Mary“, wo sich Ryland Grace ganz im Stil seines „Vorgängers“ Mark Whatney von Problem zu Problem hangelt, und zum anderen in regelmäßig eingestreuten Rückblenden, die in kleinen Häppchen Hintergrundinformationen zur dramatischen Situation auf der Erde und Rylands Rettungsmission liefern und dem Gedächtnis des Astronauten immer wieder auf die Sprünge helfen. Mark Whatney 2.0? Während „Der Marsianer“ ein überwältigender Erfolg war und gefühlt nur euphorische Reaktionen bei Leser:innen und Kritiker:innen hervorrief, war Andy Weirs zweiter Roman „Artemis“ für viele Fans des ersten Buches eher eine Enttäuschung, weil dieses Werk in vielen Aspekten eine ganz andere Richtung einschlug als der Vorgänger. Bei „Der Astronaut“ werden viele aber schon nach wenigen Seiten innerlich jubeln, denn von Beginn an erinnert vieles an die Mission von Mark Whatney als auf dem Mars gestrandeten Überlebenskünstler. Statt auf der Weite des Roten Planeten spielt sich die Geschichte aber hier nun hauptsächlich in den beengten Kammern eines Raumschiffs ab, ansonsten weisen „Der Astronaut“ und „Der Marsianer“ aber viele Parallelen auf. Naturwissenschaft, wie sie unterhaltsamer kaum sein kann Am auffälligsten ist sicherlich Andy Weirs Liebe zu den Naturwissenschaften, die hier wieder voll zum Zuge kommt. Selten war der Begriff „Science Fiction“ passender, denn der Autor haut seinem Publikum hier erneut fast im Minutentakt physikalische, chemische oder biologische Informationen und Zusammenhänge um die Ohren. Das klingt erst einmal furchtbar für alle, die beim Gedanken an Relativitätstheorie, Atome und Zellreaktionen an unerträgliche Unterrichtsstunden ihrer Schullaufbahn denken, Andy Weir schafft es aber auf beeindruckende Weise, jeden noch so drögen oder komplexen Sachverhalt spannend und nachvollziehbar auf die wichtigsten Punkte runterzubrechen ‒ da überrascht es nicht, dass sich der Autor für die Hauptrolle in diesem Buch einen ehemaligen und äußerst leidenschaftlichen Lehrer ausgesucht hat. Es macht einfach Spaß, das Universum auf diese Weise erklärt zu bekommen und man ist beim Lesen vielleicht sogar überrascht, wie leicht sich komplexe Zusammenhänge verstehen lassen, wenn man sie nur ansprechend verpackt erklärt bekommt. Houston, wir haben ein Problem. Und noch eins. Und noch eins… Bei aller Euphorie über den hohen Nerdfaktor ist „Der Astronaut“ jedoch auch nicht perfekt. Mitunter können die permanenten wissenschaftlichen Erklärungen trotz der Leidenschaft des Autors auf Dauer doch etwas ermüden, zumal große Teile der Handlung nach dem gleichen Schema ablaufen: Protagonist steht vor einem Problem, Protagonist hat einen Flashback, Protagonist findet die Lösung des Problems, Protagonist steht vor dem nächsten Problem. Die Rückblenden an sich sind zwar eine gute Idee und auch interessant erzählt, allerdings wirkt es nicht sehr glaubwürdig, dass diese nach einem totalen Gedächtnisverlust immer schön chronologisch geordnet genau an den richtigen Stellen auftauchen. Die Amnesie der Hauptfigur trägt auch dazu bei, dass diese etwas blass ausfällt, denn wenn der Protagonist schon nicht weiß wer er ist, bleibt auch bei den Leser:innen nicht viel hängen außer dass man es hier mit einem sympathischen Mann zu tun hat, der offenbar ziemlich intelligent ist und gerne wissenschaftliche Probleme löst. Interessanter ist da schon eine weitere prägende Figur dieser Geschichte, über die aus Spannungsgründen aber an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden soll. Nicht perfekt, aber dennoch ein SciFi-Highlight Auch wenn „Der Astronaut“ über weite Strecken ein Heidenspaß ist und man aufgrund einiger Parallelen zu „Der Marsianer“ beim Lesen immer wieder wohlige, geradezu nostalgische Gefühle bekommt, so kann Andy Weir hier insgesamt nicht ganz an die Qualität seines Meisterwerks anknüpfen. Dafür ist die Struktur der Handlung dann letztlich doch etwas repetitiv und der Mittelteil etwas zu lang geraten, denn nicht jedes kleine Problem ist interessant genug, um bis ins letzte Detail untersucht zu werden. Zudem hat die Geschichte dann auch nicht ganz die emotionale Tiefe des Erstlings und lässt einen beim Lesen nicht so extrem mit Ryland Grace bangen und zittern, wie man es gerade zum Ende hin mit Mark Whatney getan hat. Wissenschaftlich interessierte SciFi-Fans sollten sich dieses Buch aber dennoch nicht entgehen lassen, denn trotz der genannten Schwächen ist „Der Astronaut“ immer noch spannend, mitreißend, lehrreich, inspirierend, dramatisch und humorvoll und ganz einfach sehr gute Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Seite.

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