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Rezension zu
Die Skrupellosen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Unerwartet spannend wie ein Krimi

Von: Marina Büttner
08.07.2021

Sadie Jones ist meines Wissens noch nicht so bekannt im deutschsprachigen Raum. Ich habe sie entdeckt durch den schönen Roman „Jahre wie diese“, der im Schauspielmilieu in London spielt. Die 1967 geborene Britin, die auch Drehbuchautorin ist, schreibt Romane, die zwar nicht hochliterarisch sind, aber in die Tiefe der jeweiligen Themen eintauchen und absolut mitreißend erzählt sind. Also durchaus mehr als gute Unterhaltung. Diesmal sogar mit Elementen eines Kriminalromans. Im neuen Roman geht es um das junge Paar Bea und Dan, die in London leben. Eine Eigentumswohnung muss abbezahlt werden. Dan, der eigentlich Künstler sein will, verdient sein Geld als Immobilienmakler, Bea ist Psychotherapeutin. Gleich eingangs wird klar, dass die beiden sehr sparsam leben müssen, denn das Leben in London ist teuer. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft, führen sie eine liebevolle Beziehung. Als beide vom Leben und Arbeiten frustriert sind, beschließen sie eine Auszeit zu nehmen. Vom finanziellen „Polster“ und von der Vermietung ihrer Wohnung wollen sie drei Monate lang durch Europa reisen. Ein altes Auto wird gekauft und die erste Station ist Frankreich, wo Beas Bruder Alex ein Hotel leitet. Alex scheint es endlich geschafft zu haben, Drogen und Alkoholmissbrauch hinter sich gelassen zu haben. Doch als sie ankommen entpuppt sich das Hotel als Luftnummer. Es gibt keine Gäste außer ihnen selbst, vieles ist marode und Alex scheint sich dennoch dort wohl zu fühlen. Im Gespräch erfahren Dan und Bea, dass der durch allerlei illustre Immobilienspekulationen extrem reich gewordene Vater von Bea das Hotel für Alex gekauft hat. Dan, der kaum etwas von Beas Familie weiß, da Bea keinen Kontakt zu den Eltern hat, wundert sich immer mehr. Sie versuchen die freien Tage zu genießen, doch irgendwie schwebt Unheil in der Atmosphäre. Als schließlich auch die Eltern mit teurem Auto auftauchen, nicht wie sonst mit dem Privatjet (!), fragt sich Dan, wieso er nichts über den immensen Reichtum seiner Schwiegereltern weiß und weshalb Bea nicht die immer wieder angebotene Unterstützung ihres Vaters annimmt. Sie hätten damit ein so viel leichteres Leben. „Dan dachte, dass er sie gerade zum ersten Mal in einer solchen Umgebung sah, und es verstörte ihn, mit welcher Sicherheit sie sich in diesem Habitat bewegte. Nur ein Mädchen, das mit dem goldenen Löffel im Mund geboren war, würde ihre Missachtung für den Luxus demonstrieren, indem sie etwas bestellte, was gar nicht auf der Karte stand.“ Doch für Bea ist es ein rotes Tuch, etwas von den Eltern anzunehmen. Sie hat ihre Gründe. Nach und nach bekommen wir Einblick in das merkwürdige Familienkonstrukt, dass von einem dominierenden Vater beherrscht wird, der über den dunkelhäutigen Schwiegersohn so gar nicht froh ist. Wir tauchen in die Kindheit der Geschwister, zu denen noch ein älterer Bruder gehört, der es im Gegensatz zu Alex „geschafft“ hat. Doch die, die Bea mit aller Macht von sich schiebt, ist die Mutter. Als Kind hat sie die Mutter zusammen mit dem 7 Jahre älteren Bruder gesehen, in einer übergriffigen Situation … „Schwarze waren in den vergangenen Jahren hochgestuft worden, denn jetzt hatten sie noch ausländischere Ausländer mit Akzenten und Religionen, vor denen sie sich fürchten konnten.“ Es herrscht statt Urlaubsfeeling eine extreme unangenehme Spannung zwischen allen. Als Alex eines Abends losfährt, um für den Vater etwas zu erledigen, kommt er nicht mehr zurück. Dafür taucht die Polizei auf, die ihnen mitteilt, dass Alex einen tödlichen Unfall hatte. Die Erschütterung ist groß, bei der Mutter extrem. Vor allem als langsam klar wird, dass Alex vermeintlicher Unfall ein Mord war. Es folgt eine äußerst spannende, bestens gelungene Geschichte, in der sich sichtlich Abgründe dieser Familie auftun. Und Dan als eine Art Außenstehender kommt aus dem Fragen nicht mehr heraus. Die Beziehung der beiden leidet unter den Geschehnissen. Kann man sich noch gegenseitig vertrauen? Kennt man einander wirklich? Und inwiefern ist Beas Vater, der den Sohn mit einem Auftrag losschickte mit Schuld an den Ereignissen? Psychologisch interessant und erwähnenswert ist noch das Motiv der Schlange, das immer wieder auftaucht, in Beas Träumen und in echt. Das englische Original übernimmt das Motiv sogar in den Titel: The Snakes. Mehr verrate ich nicht vom Inhalt, denn es würde dem Lesen die Spannung nehmen. Neugierig gemacht habe ich hoffentlich auf diesen gut konstruierten Roman, der mit feiner Gesellschaftskritik und einem für mich überraschenden, wenngleich heftigem Ende aufwartet. Einige wenige Male begegneten mir sprachliche Unfeinheiten, die vielleicht der Übersetzung geschuldet sind.

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