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Rezension zu
Treue Seelen

Grandios!

Von: Fraedherike
23.05.2021

„Wenn wir verliebt sind, dachte er, haben wir das Gefühl, die Welt zum allerersten Mal zu erleben, wie sie wirklich ist. Mit einem Mal, dachte er, wird uns klar, dass wir im unverliebten Zustand nach Strich und Faden belogen werden.“ (S. 85) Im Frühsommer 1986, kurz nach der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl, ziehen Achim und Barbara nach West-Berlin. Weg aus Bonn, raus aus der Kleinstadt, wollen sie ein neues Leben beginnen: Achim in seinem neuen Job an der Bundesanstalt für Materialforschung, Barbara als neuer Mensch. Doch die Angst vor den Auswirkungen der freigesetzten Strahlung, die Enge der Wohnung, die Nähe all der neuen Nachbarn fügt ihrer Beziehung feine, aber tiefschürfende Wunden zu. Sie entfremden sich immer mehr voneinander, und während Barbara in ihrer Einsamkeit an eine Trennung denkt, verliebt sich Achim in die zehn Jahre ältere Nachbarin Marion, die als Teenager kurz vor dem Mauerbau aus Ost-Berlin in den Westen floh – und dabei ihre Mutter und ihre Schwester Sybille dort zurückließ. Berauscht von ihrer heimlichen Liebe fahren Marion und Achim in den Osten, um Sybille wiederzusehen. Um ihrer Verbindung Nachdruck zu verleihen, schmuggelt Achim einen Gegenstand über die Grenze, der ihrer aller Leben in Gefahr bringen könnte. Zehlendorf, Seelendorf – mit „Treue Seelen“ ist Till Raether ein Meisterwerk gelungen. Begleitet von einer melancholischen, liebestrunkenen, phasenweise auch sehr beklemmenden Atmosphäre verwebt er die bewegende Fluchtgeschichte von Marion nach West-Berlin mit dem Beziehungsdrama von Achim und Barbara und dem zeitaktuellen politischen und gesellschaftlichen Weltgeschehen. Einer Zeitreise gleich, erschafft er mit detaillierten, eingehend recherchierten Beschreibungen des Berliner Stadtbildes eine greifbare, wenn auch vergangene Umgebung. Spielerisch wechselt er zwischen den Zeiten und den Perspektiven der einzelnen Protagonist*innen, lässt an ihren Gefühlen, ihren Ängsten und Hoffnungen teilhaben. Eben diese Zeitsprünge waren in einem unaufmerksamen Moment teilweise schwer nachzuvollziehen, im Nachhinein aber so logisch und clever platziert, dass ich meinen imaginären Hut ziehen wollte. Und die Sprache erst: Poetisch und humorvoll, voll kluger und nachdenklich stimmender Aussagen, stets auf den Punkt gebracht. Es sind Sätze wie dieser, neben so vielen weiteren Markierungen, die mein lyrisches Herz begeistern: „Draußen stand die Luft, als hätte sie auf Achim gewartet.“ (S. 55) Was bleibt mir da weiter zu sagen als: was für ein Buch, lest es! Klar, man muss mit den Schreibstil irgendwo auch mögen, die Zeit- und Gedankensprünge, mit dem Setting eines geteilten Deutschlands und der Überwachung umgehen können. Doch wenn all das kein Problem für euch darstellt, lasst euch von der Wortmagie und der Atmosphäre umarmen. Herzlichen Dank an @tibera_3000 und den @btb_verlag sowie das @bloggerportal für das Rezensionsexemplar, und ein neues Mitglied der Riege meiner Lieblingsbücher!

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