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Rezension zu
Im Frühling

Eine Erzählung über Nähe und Distanz

Von: Dagmar
16.03.2021

Das Buch liegt schon einige Tage gelesen auf dem Tisch. Immer noch versuche ich ihm näher zu kommen. Mein Einstieg in den Knausgard mit dem für Einsteiger empfohlenen, nun als Taschenbuch herausgekommenen kleinen Band „Frühling“, in dem er die Zeit der Geburt und die ersten Monate seiner jüngsten Tochter retrospektiv beschreibt, während seine Frau an einer schweren Depression leidet und immer wieder in der Klinik stationär behandelt werden muss, geht über das Buch hinaus. Die Erzählung ist eingepackt in einen einzigen erlebten Tag zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Es ist eine eigentümliche Erzählweise. Sie gibt in längeren essayistischen Passagen das preis, womit der Autor sich gedanklich beschäftigt, sie erzählt in einer Flut von Assoziationen über seinen Gefühlshaushalt und sie neigt dazu, vor allem die eigene Seele im ständigen Kreisen darum erkunden und erklären zu wollen. Dabei bedient er sich großartiger beschreibender Stilmittel und kann die Leserin/ den Leser in einen regelrechten Bann der Beobachtung und des Einfühlenwollens ziehen. Gleichwohl bleibt eine gewisse Distanz. Beim Lesen ist es natürlich von großem Interesse - wenn man schon weiß, dass all diese Geschichten autobiographisch angelegt sind - der Person hinter der Erzählung zu begegnen. Da ist ein Mann der aufscheint, nicht unsympathisch, aber auch nicht in großem Austausch mit seiner Umgebung, der aber doch eine Nebelgestalt bleibt. Das, was tatsächlich interessant wäre, zu erfahren, bleibt verborgen. Vielleicht ist das gut so, vielleicht bleibt so eine Restneugierde über die Bände hinweg erhalten. An diesem einen Tag ist er immer wieder im Zwiegespräch mit dem neugeborenen Kind. Er erklärt ihm die Liebe, die Familie, die Freundschaft, das Leben. Und während er mit dem Kind spricht, wird immer mehr der gesamten Familiensituation um diesen Tag herum sichtbar. Ein Sommerurlaub auf der Insel Farö weckt eine Erinnerung an einen Urlaub vor acht Jahren. Damals suchte er nach dem Haus von Ingmar Bergman. „Bergman selbst lebte damals noch, ohne dass ich den Wunsch gehegt hätte, ihn zu treffen, den habe ich bei Künstlern oder Schriftstellern nie gehabt, da ich die Ansprache im Werk immer persönlicher fand als in der Wirklichkeit und er oder sie einem dort wesentlich näher kam, als es bei einer persönlichen Begegnung jemals der Fall gewesen wäre. Was wäre die Literstur denn anderes als ein Ausdruck für eine ansonsten unzugänglich und in der Wirklichkeit nicht existierende Nähe?“ S. 122 Ob die Nähe entsteht oder nicht ist hier in hohem Maße von der momentanen Verfasstheit des Lesers/ der Leserin abhängig. Aus irgendeinem Grund hat es gerade jetzt bei mir nicht ganz verfangen. Bestimmt ist Knausgard ein Schriftsteller, den man in unterschiedlichen Lebensphasen sehr unterschiedlich rezipiert. Der fehlende Widerhall der Welt, den seine Frau nicht mehr spürt in ihrer Depression, etwas davon ist auch bei ihm vorhanden, so sehr er sich müht, die ihn umgebende Welt und sein Erleben derselben als etwas dialogisches Aufscheinen zu lassen. „Und vielleicht ist das Folgende nichts anderes als ein Selbstbetrug: Das leichte Leben ist nichts Erstrebenswertes, das einfache Leben ist nie eine vollwertige Lösung, nur das schwierige Leben ist ein vollwertiges Leben? Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, dass es so ist.“ S. 169 Er schreibt das Buch als eine „Art Apologie“ (nach S.167) für das Kind, damit es später, wenn es diese Zeilen läse, gut von ihm denke. Warum ist das so? Allein daraus könnte man ein Interesse an weiteren autobiographischen Romanen von ihm ableiten. Die Gedankenfluten der autobiographisch angelegten Erzählung, seine intuitiv essayistischen Passagen halten das Leseinteresse, man lauscht gebannt.

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