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Rezension zu
Der Fremde aus Paris

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Zwischen Orient und Okzident

Von: LiteraturReich
17.12.2020

Ein 730 Seiten starker Debütroman von einer jungen britisch-amerikanischen Autorin mit palästinensischen Wurzeln, der sich mit eben jenen Wurzeln beschäftigt, hat im vergangenen Jahr für einige Furore in der englischsprachigen Welt gesorgt. Die New York Times bezeichnet den Roman Der Fremde aus Paris von Isabella Hammad gar als einen der wichtigsten Romane des Jahres 2019. Was ist dran an diesen Lobeshymnen? Die Geschichte startet zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der junge Midhat Kamal, Sohn eines wohlhabenden und erfolgreichen Tuchhändlers aus Nablus, befindet sich auf der Überfahrt von Alexandria nach Marseille, um von dort nach Montpellier zu reisen. Hier beginnt er ein Medizinstudium. Für Midhat ist es ein Aufbruch in ein neues Leben, heraus aus der Enge seiner palästinensischen Heimat und hin zum freien Leben im bewunderten Frankreich. Als Gastvater fungiert der ehemalige Professor Fréderic Molineu, in dessen freigeistige, fröhliche Tochter Jeannette sich Midhat schnell verliebt. Die beiden werden ein Paar, Midhat denkt an Heirat. Das Ganze ist nicht ganz so mit Kitsch beladen, wie sich das vielleicht anhört. Die Grenze dazu streift Isabella Hammad in Der Fremde in Paris aber immer wieder einmal. Midhat wird nicht nur von den Molineus freundlich aufgenommen, sondern findet sich auch recht gut im französischen Alltag zurecht. Ein gewisses Fremdheitsgefühl ist aber naturgemäß immer da, zudem fühlt sich Midhat trotz seiner hervorragenden Französischkenntnisse, seiner Kultiviertheit und WAufgeschlossenheit oft nicht ganz gleichwertig zu seinen Kommilitonen. Dennoch ist er bestürzt, als er entdeckt, dass Professor Molineu ihn zum Objekt von Studien über Muslime und ihre Integrationsfähigkeit in westliche Gesellschaften gemacht hat. Verärgert bricht er nicht nur mit ihm, sondern auch mit Jeanette und zieht nach Paris. Das Medizinstudium gibt er auf und schreibt sich an der Sorbonne für Geschichte ein. Während der Erste Weltkrieg immer präsenter wird und das Osmanische Reich zu zerfallen beginnt, führt Midhat ein einigermaßen ausschweifendes Leben. Zugleich wird aber auch der Druck durch seinen Vaters immer größer. Midhat soll heimkehren und endlich heiraten. Die blutjunge Fatima wird seine Frau, er übernimmt das väterliche Geschäft, während der Vater mit seiner zweiten Frau in Kairo lebt. Isabella Hammad gelingt es in Der Fremde aus Paris sehr gut, das Leben im zerfallenden osmanischen Reich und unter der britischen Mandatsherrschaft nach dem Krieg zu beschreiben. Die aufkommenden Unabhängigkeitsbestrebungen der arabischen Nationalisten, die immer gewalttätiger werden, die brutale Niederschlagung durch die Briten. Immer mehr Zionisten ziehen ins Land, wodurch die Palästinenser sich immer mehr in ihrer Existenz bedroht fühlen. Diese Umbruchszeit, die die Wiege für den andauernden israelisch-palästinensischen Konflikt ist, bildet den spannendsten Teil des Buchs. Midhat selbst ist eher wenig politisch engagiert, er kämpft mit seinem eigenen Schicksal, als er nach dem Tod des Vaters sein Erbe verliert und sein Tuchgeschäft einem Brand zum Opfer fällt. Auch die Ehe mit Fatima verläuft nicht glücklich. Isabella Hammad präsentiert einen opulenten Roman, breit ausufernd, behält aber ihr umfangreiches Personal immer im Blick. Ein dreiseitiges Personenregister hilft, dass es den Leser:innen ebenso gelingt. Ihre Sprache ist zum Glück nicht so wuchernd, da bleibt sie elegant und klar. Leider schmuggelt sich an manchen Stellen etwas Kitsch in die Geschichte, was aber nicht wirklich ins Gewicht fällt. Anders erging es mir mit manchen ausufernden Gesprächspassagen. Da hätte man im Lektorat einiges kürzen können. Ich habe da oft etwas quergelesen. Ein etwas kompakterer Roman wäre im Endeffekt der gelungenere gewesen.

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