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Rezension zu
Neue Irre - Wir behandeln die Falschen

Irre sind menschlich

Von: Ishtar
25.10.2020

Wer das Buch „Neue Irre“ in der Hoffnung auf eine genaue psychiatrische Ferndiagnose für den derzeit amtierenden US-Präsidenten kauft, wird leider enttäuscht. Der Autor Herr Lütz klärt den wißbegierigen Leser entschieden an Hand verschiedener Beispiele über den Unterschied zwischen unmoralischem Handeln und psychiatrisch bedingtem Fehlverhalten auf. Er gibt einen gut lesbaren und mit anschaulichen Beispielen versehenen Abriss der Geschichte der Therapie (von Bedlam bis zu Wgs), unterschiedlicher psychotherapeutischer Behandlungsweisen und der verschiedenen psychiatrischen Krankheitsbilder sowie gängiger psychischer Auffälligkeiten. Letztere können allein aber auch als Begleitsymptome auftreten. Das alles ist sehr locker und teilweise sogar sehr vergnüglich geschrieben. Es ist sehr informativ für Leser, die sich bislang noch nicht für diese Lebenswelten interessiert haben und dies nun ändern wollen. Wer sich jedoch schon ab und an mit diesem Thema befasst hat wird allerdings enttäuscht. Zudem beschreibt der Autor die Psychiatrie quasi als Insel der Seeligen. Es mag sein, dass in seiner Klinik mit den Patienten tatsächlich derart respektvoll umgegangen wird – üblich ist das aber noch lange nicht. In der Psychitrie ist der Arzt nämlich noch der Halbgott wie er es zu Sauerbruchs Zeiten war. Was ich persönlich erlebt habe war: der Chefarzt spricht, der Assi springt. „Ich weiß besser wie Sie sich fühlen“ ist einigen Patienten sicherlich nicht völlig unbekannt. Dies sind jedenfalls meine Erfahrungen als Deppresive. Ich bin zwar dankbar dafür, dass Herr Lütz mit der Hybris des Burn-out aufräumt, jedoch verschweigt er, dass Medikamte teils erhebliche Nebenwirkungen haben und es in der Depressionstherapie eine Versagerquote von ca. 30% gibt. Ich gehöre dazu obwohl ich wirklich alles außer „Elektroschocks“ ausprobiert habe. Allein mit der aktuellen „Episode“ bin ich mehr als 50% meiner Lebenszeit schwer krank. Es fehlt auch der Hinweis auf die Ausfallerscheinungen (Konzentrationsmangel ist der schiere Euphemismus), die bei lang andauernden Erkrankungen auftreten. Denn genau die sind es, die zu den steil ansteigenden Zahlen der Erwerbsunfähigkeitsverrentungen führen. Ich gehe davon aus, dass solche Dinge auch bei anderen psychischen Krankheiten vorkommen. Von daher und weil mir das Buch leider kein mehr an Informationen über die restliche Palette der psychischen Erkrankungen gab, vergebe ich nur 3 Sternchen.

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