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Rezension zu
Die F*ck-it-Liste

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Cooler Rache-Thriller vor dem Hintergrund eines erschreckend realistischen Szenarios der Trump-USA in naher Zukunft

Von: Dirk Hoffmann
13.10.2020

Amerika im Jahr 2026 ist fest in der Hand des Trump-Clans. Donald Trump hat zwei Amtsperioden durchregiert und durch einen geschickten Kniff seine Tochter Ivanka erst als Vizepräsidentin installiert und anschließend dafür gesorgt, dass seine Anhänger auch sie zur Präsidentin machen. Die USA haben mittlerweile die Ölreserven im Iran geplündert und Nordkorea in einer postnukleare Wüstenlandschaft verwandelt. Der NRA-Vorsitzende Beckerman hatte als Trumps neuer Mann für Waffenfragen ein Gesetz durchgebracht, das das offene Tragen von Schusswaffen überall in den USA erlaubt. Frank Brill, der sechzigjährige ehemaliger Chefredakteur der „Schilling Gazette“ in der 32.000-Einwohner-Stadt Schilling, Indiana, bekommt die fatale Diagnose, mit seinem Darmkrebs im Endstadium nur noch wenige Monate leben zu dürfen. Etwaige Möglichkeiten zur Behandlung interessieren ihn nicht, da es auch keine Verwandten gibt, die etwas von seinem leicht verlängerten Leben etwas haben könnten. Dafür hat Frank aber eine F*ck-It-Liste mit fünf Namen erstellt, die er persönlich auslöschen will, da sie für schmachvolle Erfahrungen in seinem Leben verantwortlich gewesen sind. Dazu zählt nicht nur der tragische Tod seines Highschool-Freundes Robbie, der sich im Alter von 28 Jahren umgebracht hatte, nachdem er von seinem Coach Hauser missbraucht worden war, sondern auch die Tatsache, dass seine Tochter an den Folgen einer illegalen Abtreibung gestorben war und seine erste Frau Grace, nachdem Frank sie mit Cheryl betrogen hatte, an einen Zahnarzt geraten war, der sie um all ihr Hab und Gut brachte. Es ist in diesen Zeiten überhaupt nicht schwierig, an Waffen zu kommen. Franks dritte Frau Pippa und ihr gemeinsamer Sohn Adam sind 2017 bei einem Amoklauf an der Grundschule in Schilling ums Leben gekommen. Es gibt für Frank also einige Rechnungen zu begleichen. Er fängt bei den ganz persönlichen Feinden an und wendet sich schließlich auch schwieriger zu erledigenden politischen Verantwortlichen zu … „Ihm war übel von dieser endlosen Gülleflut, die er sich zeit seines Lebens auf amerikanischen Golfplätzen anhören musste. Von all dem Dreck, den er dort selbst zum Besten gegeben hatte. America first … beschissene UNO … schaut euch doch an, was Putin für sein Land getan hat, die wischten sich die Ärsche mit der nackten Hand ab … verdammte Demokraten … ein bisschen globale Erwärmung tut uns ganz gut … was diese Menschen wollen, ist ein Holocaust am ungeborenen Leben.“ (S. 224) Der schottische Autor John Niven hat sich mit Romanen wie „Gott bewahre“, „Coma“, „Kill 'em all“ und „Alte Freunde“ in den Olymp der zeitgenössischen Literatur geschrieben. Mit seinem angriffslustigen Ton wendet er sich in seinem neuen Roman „Die F*ck-It-Liste“ einem erschreckend aktuellen und zunehmend globaleren Problem zu, nämlich der Art und Weise, wie Donald Trump als Präsident der mächtigsten Nation der Welt die Demokratie systematisch zersetzt. Um das zu veranschaulichen, hat Niven das Geschehen seines Romans in die nahe Zukunft verlegt, um eine gar nicht so unrealistische Vision davon zu entwickeln, wie sich Trumps Gebaren vor allem auf das gesellschaftliche Leben in den USA auswirkt. Das bedeutet konkret den Ausbau der „Mauer“, die Abschaffung der Pressefreiheit, weitreichende Kompetenzen bei der Verfolgung illegaler Einwanderer, rigorose Strafen bei illegalen Abtreibungen und die Erlaubnis, auch schwere Waffen besitzen zu dürfen. Da Amokläufe und Massaker nahezu an der Tagesordnung sind, fallen Franks Morde kaum ins Gewicht. Niven verknüpft eine sehr persönliche Rachemission à la „Kill Bill“ mit einer düsteren Zukunftsvision, die viel zu schnell bittere Realität werden könnte. Was die Story dabei so interessant macht, dass Nivens Protagonist – obgleich er es als langjähriger Zeitungsjournalist hätte besser wissen müssen – selbst Trump gewählt hat, aber aus dem Denkzettel, den er – wie viele Millionen anderer US-Bürger auch – der etablierten Politiker-Klasse verpassen wollte, ist ein zunehmend außer Kontrolle geratener Boomerang geworden. Doch im Gegensatz zu Frank Brill haben die meisten seiner Mitmenschen ihren fatalen Irrtum nicht eingesehen, und nun steuert das Land auf eine Art Polizeistaat zu, der immer mehr persönliche Rechte beschneidet. Es wäre zu wünschen, dass „Die F*ck-It-Liste“ zur Standard-Lektüre an US-amerikanischen Schulen wird, doch mag man angesichts der aktuellen Entwicklungen und der nach wie vor ungebrochen großen Unterstützung, die Trumps Politik bei seinen Anhängern erfährt, auch als Optimist nicht mehr so recht an eine Rückbesinnung zu den uramerikanischen Werten von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit glauben. „Die F*ck-It-Liste“ ist fraglos Nivens kompromisslosestes Werk, an dessen satirischem Ton man sich als Leser fast verschluckt, so beängstigend real wirken die hier aufgezeigten Szenarien.

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