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Rezension zu
Kaffee und Zigaretten

philosophisch und lebensnah

Von: ina-introvert
06.10.2020

„Kaffee und Zigaretten“ erschien 2019 als neuntes Buch von Ferdinand von Schirach. Zehn Jahre zuvor schrieb er sein erstes Buch: „Verbrechen“ – Kurzgeschichten über wahre Fälle aus seiner Anwaltskanzlei. Nicht umsonst gilt Schirach als einer der größen Schriftsteller Deutschlands und nicht umsonst sind Schirach-Fans begeistert, ein so persönliches Buch von ihm zu lesen. Es schien mir schon in dem ersten Buch „Verbrechen“ so, als ob man viel von diesem Autor lernen könnte – unabhängig davon, wer seine Vorfahren sind. Schirach hat viel zu berichten. Nicht nur sein Berufsleben ist ein bewegtes und vielfältiges. Auch sein Privatleben war von Anfang an durch Leiderfahrungen und Glücksmomente gezeichnet. Selbst schwierig, mitleiderregende Situationen seiner Vergangenheit schildert er auf die typisch nüchterne und plastische Art und Weise, ohne dabei auf die Tränendrüse drücken zu müssen oder künstlich zu emotionalisieren. Durch diese Sichtbarmachung der eigenen schönen und schwierigen Momente des Lebens zeigt Schirach auf, wie das Leben spielt. Es geht nicht immer gut, aber es geht dann doch oft genug gut. An die philosophischen Gedankengänge musste ich mich beim Lesen erst einmal gewöhnen. Zwar durfte ich mich in den letzten Monaten viel mit der (Sprach)philosophie auseinandersetzen (Masterarbeit), war bei Schirach aber auf etwas ganz anderes gefasst. Insgesamt konnte ich mit der Aufteilung der Geschichten und den oftmals nur 1-2 Seiten langen Berichten nicht allzu viel anfangen. Viel lieber lese ich mich in etwas längere Kurzgeschichten ein, da diese mir dann stärker im Kopf bleiben und ich mich in diesem Zusammenhang auch auf die philosophischen Fragen einlassen kann. Die kurzen Berichte sind in einer halben Minute gelesen und (in meinem Fall) in wenigen Sekunden wieder vergessen. Ich glaube nicht, dass dieses Buch einfach nicht für mich gemacht ist, sondern dass ich es falsch gelesen habe. Die Geschichten von Schirach lassen sich oftmals in kurzer Zeit lesen und das macht auch den Charme von ihnen aus. Sie sind kurzweilig, aber sehr nahrhaft. „Kaffee und Zigaretten“ hätte ich aber besser über einen längeren Zeitraum gelesen. Vielleicht jeden Tag 2-4 Geschichten? Ein für mich besonderer Gedankengang Schirachs findet sich in der zwanzigsten Geschichte des Buchs: „Das Bild eines Haikus ist sofort da, es ist einfach, und es ist vollkommen. In der Schule lernen wir das Gegenteil. Literatur, Theater und bildende Kunst seien dann bedeutend, wenn nur wenige sie noch verstehen. Martin Heidegger schrieb: „Das Sichverständlichmachen ist der Selbstmord der Philosophie.“ Das Komplizierte, so wird uns gesagt, sei das Wertvolle. Aber das ist Unsinn. In Wirklichkeit ist das Einfachste das Schwierigste.“ (S. 83) Das Buch „Kaffee und Zigaretten“ ist für mich ein schönes, heimisches Leseerlebnis gewesen. Die Form des Buchs mit den wirklich kurzen Erzählungen ist gewöhnungsbedürftig. Ich verstehe allerdings, was Schirach hier bewirken wollte: Die Zusammenhangslosigkeit der Geschichten bildet das große Puzzle, das es im Leben zu lösen gibt. Und mal ehrlich: Ich liebe den Prozess des Puzzelns; mal ist es herausfordernder und dann wird man durch Erfolge animiert, weiterzumachen und nicht aufzugeben. Aber wenn das Puzzle dann am Ende fertig ist, bin ich doch traurig. Ich weiß ja, dass ich es entweder wieder zusammenschmeiße und es in der Kiste landet oder dass es für immer mit Lack besprüht an einer Wand hängen wird – völlig aus seiner eigentlichen Sinnhaftigkeit herausfallend.

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