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Rezension zu
Das Verschwinden des Dr. Mühe

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

"Das Verschwinden des Dr. Mühe" von Oliver Hilmes

Von: Fraggle
18.09.2020

Fazit: Ich bin ja – ich erwähnte und wiederholte das gelegentlich – bekennender True-Crime-Fan. Und als solcher ist es mir naturgemäß nicht möglich, Bücher wie „Das Verschwinden des Dr. Mühe“ ungelesen an mir vorbeiziehen lassen. Und das hat sich durchaus gelohnt, nicht nur als True-Crime-Fan. Dabei ist Hilmes‘ Buch im Grunde nichts anderes als das Resultat eines Zufallsfundes im Berliner Landesarchiv, in dem sich der Autor zwecks Recherche zu einem ganz anderen Buch befand. In seinem Krimi geht es um den namensgebenden Dr. Mühe aus Berlin, der sich spätabends aufmacht, angeblich um einen Hausbesuch bei einem Patienten zu machen. Nur kehrt der Dr. von diesem Besuch nie zurück. Lediglich sein Auto wird am Ufer eines Sees gefunden, verschwindet später aber ebenso vollständig wie sein Besitzer. Um die Verwirrung um das Auto komplett zu machen, wird eine Plakette, die unzweifelhaft von Dr. Mühes Wagen stammt, später recht weit von Berlin entfernt halb verscharrt in einem Acker gefunden. Und damit nicht genug: Nicht nur Dr. Mühe und dessen Auto sind verschwunden, am nächsten Tag ist auch das Konto des Mediziners leer geräumt. Grund genug, nunmehr den Polizisten Ernst Keller mit den Ermittlungen zu betrauen, der an der Seite seines Assistenten eine Reihe von Vernehmungen durchführt. In jedem Kapitel wendet sich Keller dabei einer anderen wichtigen Person zu und passenderweise sind die Kapitel dann auch mit dem Namen der im entsprechenden Kapitel die Hauptrolle spielenden Person, sowie mit dem Datum und der Uhrzeit überschrieben. Sehr bald fallen Keller dabei zwei Dinge auf. Erstens widersprechen sich die Aussagen einiger Zeugen, insbesondere die von Dr. Mühes Frau, ihres Dienstmädchens sowie der Untermieterin des Ehepaar Mühe teils deutlich. Und zweitens scheint sich hinter der Fassade der augenscheinlich glücklichen Ehe des Mühes ein ganz anderes Bild darzustellen. Das eines Arztes, der aus zweifelhaften bis illegalen Tätigkeiten Geld beziehen könnte, in erster Linie um das anscheinend rein auf größtmöglichen Luxus ausgerichtete Leben der Ehefrau zu finanzieren. Die Ermittlungen Kellers lesen sich spannend, immer wieder tauchen Wendungen auf, mit denen man – sonst wären es auch keine Wendungen – so nicht gerechnet hat oder die die Geschehnisse in einem anderen Licht erscheinen und einen anderen Zusammenhang der Ereignisse vermuten lassen. Ich fühlte mich hier ein wenig an „Das Buch der Spiegel“ von E. O. Chirovici erinnert, in dem man sich ebenfalls mit vielen inhaltlich teils deutlich unterschiedlichen Zeugenaussagen konfrontiert sieht und ebenso wie im Hilmes‘ Roman gezwungen ist, sich seine eigenen Gedanken zu machen und seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Abseits der eigentlichen Ermittlungen bzw. der Krimihandlung bemüht sich der Autor, ein möglichst lebendiges Bild vom Berlin der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts zu entwerfen. So werden natürlich die politischen Ereignisse dieser Zeit erwähnt, aber auch damalige Zeitungsmeldungen oder Zahlen aus dem Statistischen Reichsamt. Das zeugt von umfassenden Recherchearbeiten des Autors und ich weiß den Aufwand auch zu schätzen, nur fügen diese Stellen, die mutmaßlich doch dazu dienen sollen, den Handlungsrahmen möglichst lebendig zu gestalten, sich – insbesondere im ersten Drittel des Romans – nur wenig organisch in den restlichen Text ein. Für mich wirkten die entsprechenden Stellen leider eher so, als habe der Autor von Zeit zu Zeit zur Liste mit seinen Rechercheergebnissen gegriffen, um dann Punkt für Punkt in den Text einzufügen und abzuhaken. Aus meiner Sicht lesen sich diese Passagen daher eher wie ein Geschichtsbuch und weniger wie ein Roman. Im Grunde ist das aber auch schon der einzige Kritikpunkt, und dieser verliert aufgrund der Tatsache, dass derartige Einschübe mit zunehmender Dauer des Romans weniger werden, im späteren Verlauf immer mehr an Bedeutung. Dessen ungeachtet ist „Das Verschwinden des Dr. Mühe“ eine überzeugend erzählte Cold-Case-Geschichte, an der Liebhaber des „Roman Noir“-Genres ebenso ihre Freude haben dürften, wie passionierte Krimileser, die endlich mal wieder eine unblutige Geschichte aus ihrem Lieblingsgenre lesen wollen.

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