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Rezension zu
Der Fremde aus Paris

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Aus der Fremde nach Hause - ohne anzukommen

Von: M.Sch.
07.11.2020

Um es vorweg zu sagen, das Buch "Der Fremde aus Paris" ist ganz nach meinem Geschmack. Es wird eine faszinierende Lebensgeschichte - angelehnt an das Leben des Großvaters der Autorin - erzählt und gleichzeitig bekomme ich als Leser Einblicke in arabische Familienstrukturen, die uns in der westlichen Welt fremd sind. Für mich begann es schon mit dem wunderschönen Cover, welches die Düfte arabischer Gärten und Märkte in meiner Vorstellung beflügelte. Doch was wäre ein eindrucksvolles Buchcover ohne mitreißenden Text? Meine Bedenken, dass ich bei den vielen aufgeführten arabischen Namen nicht den Überblick behalten würde, erwies sich als gegenstandslos. Was mich an diesem Buch von der ersten Seite an fesselte, war die wunderschöne, fast blumige Sprache der Autorin. Die harten und abgehackten Sätze, wie sie in der modernen Literatur vielfach Verwendung finden, sind nicht ihr Stil. Für mich ein sehr gelungenes Erstlingswerk. Um den Roman zu verstehen, denken wir uns zurück in die Zeit des 1. Weltkrieges. Midhat, ein junger Palästinenser kommt zum Medizinstudium nach Frankreich und findet sich in einer ihm fremden Kultur. Er ist ein Fremder. Doch er hat das Glück, im Hause eines weltoffenen Mannes wohnen zu dürfen. Nach und nach fühlt er sich heimisch, schließt Freundschaften, verliebt sich in die Tochter des Hauses und glaubt, dazu zu gehören, um letztlich festzustellen, dass er immer ein Fremder blieb. (S.114) "...er ist eindeutig ein Beweis dafür, dass man Araber erziehen kann..." Diese Feststellung seines Gastgebers, bringt ganz deutlich zum Ausdruck wie man ihn einschätzt und verletzt ihn zutiefst. Überstürzt flüchtet er nach Paris, lebt dort mit anderen Arabern und führt ein freies Leben mit vielen unverbindlichen Liebschaften. Midhat, der Frauenliebling. Doch als das Geld aufgebraucht ist, musste er zurück zu seinem Vater. Bis zu dieser Episode lernen wir einen jungen Mann kennen, dem die Welt zu Füßen liegen wird. Ortswechsel: Midhat ist wieder in Nablus bei seiner Familie. Doch auch hier ist er nun ein Fremder. Zu sehr hatte er sich and das europäische Leben gewöhnt. Ihm bleibt nichts übrig, als ein folgsamer Sohn zu werden und sich dem Willen seines Vaters zu beugen. Nichts bleibt von dem Midhat, der er in Frankreich geworden ist. Als Leser bekommt man in dem Roman zusätzlich eine geschichtliche Lehrstunde. Waren es zuvor Türken, die das Land eroberten, so bestätigte nun der Völkerbund die Mandate der europäischen Mächte Frankreich und Großbritannien. (S.428) Doch die dortigen Menschen fanden sich mit der Unterdrückung nicht ab und es brodelte. Überall regte sich der Widerstand. Selbst beim Lesen wird man erfasst von dieser Energie der Menschen, dem Aufbruch und dem Wunsch nach Selbstbestimmung. Das Tragen des Kopftuches wird für die Frauen ein Symbol ihrer Abgrenzung zu den Kolonialmächten. Nur Midhat bleibt ängstlich distanziert. Hat ihn sein Vater, die erzwungene Unterordnung - gebrochen? Wie von der Familie gewünscht entschließt er sich zur Brautwerbung (S.430). Es ist, als werde er von seiner Familie gelebt. Ganz deutlich kommt dies auf S. 446 zum Ausdruck: "Er war wütend. Er hatte alles für diesen Mann getan. Hatte sich all seinen Ansichten gefügt, jeder Entscheidung. Und das mit Erfolg!... Midhat hatte das Gefühl, dass sein Leben ein schwankendes Gebilde war, das rings um ihn zusammenbrach." Als Leser hat man Mitleid mit diesem Mann, der es jedem in seiner Familie recht machen wollte, um seine große Liebe betrogen wurde und sich selbst, seine eigenen Wünsche dabei aus den Augen verlor. Die tiefe persönliche Not von Midhat kommt bei einem Gespräch mit Antoine zutage, als er sagen kann: "Vater... ich vergebe dir". Die Zeittafel am Ende des Romans erleichtert dem Leser, die geschichtlichen Abfolge der Ereignisse zu erfassen.

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