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Rezension zu
Die andere Welt

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein einzigartiges Buch, das mit nichts zu vergleichen ist

Von: Luna von Lebensbetrunken
22.08.2020

Ein paar zufällige Klicks auf meinem Laptop, da sah ich plötzlich den Roman „Die andere Welt“ von Julie Cohen vor mir. Das Cover hat mich mit der pinken Gestaltung und den Libellen nicht direkt angesprochen, dafür aber der Klappentext. Eine Geschichte über Geschlechter, die Gesellschaft und verschiedene Welten. Mein Interesse war sofort geweckt und ich dachte mir: entweder ist dieses Buch unglaublich gut und besitzt eine authentische, feministische Umsetzung des Geschlechts-Themas. Oder aber: es ist ganz fürchterlich, versucht sich auf biologische Unterschiede zu beziehen und zeigt, wie „verschieden“ die Geschlechter scheinbar sind. Glücklicherweise traf die erste Variante zu. Worum geht es? „Die andere Welt“ ist ein ganz besonderer Roman, den ich kaum fassen und mit keinem anderen Buch vergleichen kann. Es ist praktisch eine Geschichte in zwei verschiedenen Welten. In der einen Welt wird ein Kind geboren, das Louise heißt. Sie bekommt rosa Strampler und Puppen, sie ist niedlich und süß und wenn sie auf Bäume klettert, heißt es: „Mit diesem Mädchen wirst du noch Schwierigkeiten bekommen“. In der anderen Welt wird ein Kind geboren, das Louis heißt. Er bekommt einen blauen Strampler und einen Ball, er ist stark und schlau und wenn er auf Bäume klettert, heißt es „Dieser Junge schafft alles“. „Wir haben keinen Einfluss darauf, in welchen Körper wir geboren werden oder wie Menschen uns deswegen behandeln.“ (S. 207) In dem Roman wird (Gottseidank!) nicht gezeigt, manche Menschen haben dies und andere das Geschlecht sind und deswegen sind sie so verschieden. Nein. Der Roman zeigt, manche Menschen haben dies und andere das Geschlecht und dadurch werden sie in der Gesellschaft anders behandelt. Dadurch entstehen bereits vor der Geburt Vorurteile, einem Kleinkind werden bestimmte „geschlechtstypischen“ Eigenschaften zugeschrieben, Jugendlichen werden bestimmte Rollen in der Gesellschaft zugeteilt und Erwachsene müssen bestimmte Erwartungen im Leben erfüllen. Und das alles prägt einen Menschen unglaublich, mal bewusst und ganz häufig unbewusst. Wie ist es? Der Roman hat mich durchweg den Atem anhalten lassen, weil ich immer dachte: „Bitte enttäusch mich nicht, die Idee hat so viel Potenzial“. Und ich bin so unendlich froh, dass ich nicht enttäuscht, sondern positiv überrascht ist. Ich weiß, dass es immer schwierig ist, sich mit Stereotypen auseinanderzusetzen, da sie dabei immer und immer wieder reproduziert werden. Doch Julie Cohen ist eine authentische Umsetzung gelungen. Sie zeigt nicht nur, dies und jenes ist unterschiedlich, sondern sie zeigt vor allem, das alles ist gleich. Ob Louis oder Louise, sie kommen aus dem gleichen Ort, wollen beide ein Buch schreiben, verlieben sich in die gleichen Menschen und haben das gleiche Lieblingsshirt. Während manche Kapitel aus Louis und manche aus Louises Sicht geschrieben sind, gibt es andere Kapitel, in denen es einfach nur um Lou geht. Dort wird nicht mehr das Leben eines cis*Mannes und einer cis*Frau thematisiert, sondern das Leben einer nicht-binären Person. Diese Kapitel haben mir besonders gut gefallen. Sie zeigen, manchmal ist es egal, wie sich eine Person verhält und was sie denkt, denn die Gesellschaft hat klare Vorstellungen von „Mann“ und „Frau“ und wie diese sich zu verhalten haben. Cohens Schreibstil ist dabei eindringlich und bildhaft. Es sind die kleinen Details und Worte, die diese Geschichte so besonders machen. Mein Fazit Das Einzige, das mir an diesem Buch nicht gefallen hat, ist wieder einmal, dass es keine Triggerwarnung gibt. CN sexueller Missbrauch! Man wird nicht darauf vorbereitet, doch auch in diesem Roman gibt es wieder eine detaillierte Beschreibung einer Vergewaltigung, sowie das Leben und die Auswirkungen danach. Auch hätte ich mir eine noch etwas intensivere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Geschlechtern gewünscht. Ein kleiner Satz in Richtung: „Es gibt nicht nur männlich und weiblich. Und manchmal können sich Menschen nicht mit dem Geschlecht identifizieren, dass ihnen bei der Geburt zugewiesen wird“ wäre schön gewesen – auch wenn es sich um einen Roman handelt. Ich kann „Die andere Welt“ jeder Person wirklich sehr empfehlen. Das Buch ist etwas ganz Besonders und Lou wird mir noch lange durch den Kopf schwirren. Ich bin super glücklich, dass es einen beziehungsweise zwei bisexuelle Protagonisten gibt und finde die Umsetzung dieser queeren Personen ist im Großteil gut gelungen. Der Roman ist meiner Meinung nach genau die richtige Mischung aus lebenslustig und tieftraurig, hoffnungsvoll und deprimierend. Er ist einzigartig und zeigt, wie sehr die kleinsten Entscheidungen ein Leben beeinflussen können. Er zeigt, dass wir alle nur einen Schritt von einem völlig anderen Leben entfernt sind. Und dass Geschlecht dabei keine und doch gleichzeitig die eine Rolle spielt.

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