Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Der von den Löwen träumte

Tiefgründiger Lesespaß

Von: KRAUTJUNKER
18.08.2020

In Ortheils Buch geht es vordergründig um Hemingway, seine Frauen, seine Saufgelage und den Schmerz über eine Schreibblockade, die er mal mit dem einen, mal mit dem anderen zu betäuben sucht. Und es geht um den Kampf einer Fischerfamilie vor den Toren Venedigs um den sozialen Aufstieg. Vater Sergio, Journalist der örtlichen Klatschzeitung wird zuerst auf Hemingways Ankunft in der Lagunenstadt aufmerksam. Er bringt sich und seine Familie bei dem prominenten Schriftsteller »in Dienst« um ihn auszuhorchen, durch Artikel und Interviews aus dem Umfeld Hemigways, eigenen Nutzen zu ziehen. Seine Kinder, anfangs williger Teil des väterlichen Projekts, entwickeln sich schnell wieder raus aus dieser Vereinnahmung und finden ihren eigenen Weg. Martha erkennt schnell, dass ihr der soziale Aufstieg hier nicht gelingen wird, nutzt aber den Impuls, den Hemingway ihr bietet, ihren eigenen Weg zu finden. Paolo reagiert zunächst mit Rückzug. Für Sergio ist die Meta-Ebene zu hoch und für Elena zahlt sich die Rolle im Hintergrund am Ende aus. Für den Protagonisten Hemingway bleiben sie Boten, Handlanger und Schachfiguren auf seinem Brett. Hemingway interessiert sich nur für die adlige Adriana im altehrwürdigen Palazzo, nicht für die Fischer aus den sozialen Randgebieten. Ihr läuft er hinterher, ent- und verführt sie, benutzt ihren sozialen Stand und die Einfältigkeit ihrer Jugend für den Versuch sich aus seiner eigenen Misere zu ziehen. Das geht schief – für alle Beteiligten. Paolo, der sechszehnjährige Sohn der Familie durchschaut das falsche Spiel des prominenten Gastes schon, als der Vater sich noch an das Trittbrett eines längst abgefahrenen Zuges klammert. Er ist, der den alternden Hemingway zwang sich dem Leben zu stellen, statt mit jungen Mädchen durch die Bars zu ziehen. Paolo, der der sich entzieht, wird zum Katalysator Hemingways größten Erfolges und bleibt der moralische Sieger des Buches. Hemingway, der auf Kuba lebte, hatte eine besondere Liebe zu Venedig, dass er auf seinen Europa-Aufenthalten regelmäßig besuchte. Die Lagunenstadt mit ihrem maroden Charme lässt ihn das eigene Altern vergessen und das Leben und die Leichtigkeit des Seins spüren. Sein magisches Dreieck waren Harry’s Bar an der Piazza San Marco, das Gritti Palace Hotel und Cortina, die Bar. Für seinen Roman mietete sich Ortheil just in jene zauberhafte Locanda Cipriani auf Torcello ein, in der auch Hemingway 1948 wohnte. Er saß am Schreibtisch des Meisters, schlief in seinem Bett und sah den Campanile vor dem Fenster mit seinen Augen. Gut durchkomponierter Roman, in dem der Autor seine Distanz zu jeder Figur hält, dem dadurch jedoch italienische Sinnlichkeit fehlt. Der Autor nutzt Hemingway als schneidigen Aufhänger für seinen Roman und tut damit das, wozu seinem Protagonisten Sergio am Ende Mut und Entschlossenheit fehlen. Damit stellt sich der Autor eher hinter den gescheiterten Sergio als – wie seine Rezensenten meinen – den Gottvater Hemingway zu kopieren. Insgesamt bietet der Roman tiefgründigen Lesespass, Sommerlektüre mit Anspruch.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.