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Rezension zu
Blutige Nachrichten

Nur die Fortsetzung von "Der Outsider" überzeugt, die drei weiteren Novellen fallen deutlich ab

Von: Dirk Hoffmann
10.08.2020

Stephen King hatte seit Mitte der 1970er Jahre nicht nur dem Horror-Genre mit seinen Bestseller-Romanen wie „Carrie“, „Brennen muss Salem“, „Shining“, „The Stand“, „Feuerkind“, „Cujo“ sowie der Kurzgeschichten-Sammlung „Nachtschicht“ seinen Stempel aufgedrückt, sondern war so erfolgreich, dass er – wie er mal erwähnte -, auch seine Wäscheliste hätte veröffentlichen können. So verfasste er dann nicht nur das Sachbuch „Danse Macabre“, sondern mit „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“ eine erste Sammlung mit vier Kurzromanen, die im Horror-Bereich erfahrungsgemäß schlecht an den Mann zu bringen sind. Der Erfolg gab King aber auch diesmal recht, obwohl es sich bis auf „Atemtechnik“ nicht um Horror-Geschichten handelte. „Die Leiche“ wurde sehr erfolgreich von Rob Reiner verfilmt, „Der Musterschüler“ von Bryan Singer. Seither hat King in seiner äußerst produktiven Schriftsteller-Karriere immer wieder mal zwei bis vier Novellen zu Büchern zusammengefasst. Nach „Langoliers“, „Nachts“ und „Zwischen Nacht und Dunkel“ liegt mit „Blutige Nachrichten“ nun ein weiteres Buch mit vier Novellen des „King of Horror“ vor, durch die sich als Roter Faden irgendwie der Fluch und Segen des technologischen Fortschritts zieht. Das wird vor allem bei „Mr. Harrigans Telefon“ deutlich. Der Ich-Erzähler Craig erinnert sich daran, wie er 2004 im Alter von neun Jahren für den wohlhabenden Ex-Unternehmer Mr. Harrigan zu arbeiten begann. Er bekam fünf Dollar die Stunde dafür, für den alten Mann Einkäufe zu erledigen und ihm vorzulesen, dazu erhielt er vier Mal im Jahr Karten zum Valentinstag, zum Geburtstag, zu Thanksgiving und zu Weihnachten – jeweils mit einem förmlichen Glückwunsch und einem Ein-Dollar-Rubbellos. Craigs Dad fand diese Geste immer sehr geizig, schließlich besaß der Arbeitgeber seines Sohnes früher u.a. eine Schifffahrtslinie, mehrere Einkaufszentren und eine Kinokette, aber keinen Laptop oder Fernseher. Dagegen freut sich Craig, dass er am ersten Weihnachtstag 2007 das erste iPhone geschenkt bekommt und wenig später sogar durch das Rubbellos von Mr. Harrigan dreitausend Dollar gewinnt. Craig revanchiert sich bei Mr. Harrigan, indem er ihm ebenfalls ein iPhone schenkt, worauf der alte Mann vor allem über die Echtzeit-Übermittlung des Dow-Jones-Index fasziniert ist, aber auch von dem Umstand, dass Zeitungen ihre Storys umsonst im Netz anbieten. Als Mr. Harrigan stirbt, steckt ihm Craig das iPhone in den Anzug, in dem dieser beerdigt wird, Was Craig beunruhigt, ist die Tatsache, dass er nicht nur nach der Beerdigung von Mr. Harrigan nach wie vor Kurznachrichten von seinem Handy erhält, sondern auch Menschen, die Craig das Leben schwer machen, unter mysteriösen Umständen sterben, nachdem Craig sein Leid auf die Mailbox von Mr. Harrigans Handy gesprochen hat … „Chucks Leben“ spielt in einer vielleicht gar nicht so fernen Zukunft, in der nicht nur ganze Vögel- und Fischarten aussterben, sondern auch Kalifornien und das Internet verschwindet. Marty Andersons Aufmerksamkeit wird von einer Reklametafel in Beschlag genommen, auf der statt einer Werbung für eine Fluggesellschaft geworben wurde, nun aber das Foto eines mondgesichtigen Mannes anzeigt, über dessen Kopf die Botschaft verkündet wird: „Charles Krantz. 39 wunderbare Jahre! Danke, Chuck!“. Und auch im Fernsehen prangt statt des Begrüßungsbildschirms von Netflix die gleiche Botschaft, die ebenso von einem Flugzeug in den Himmel geschrieben wird. Doch niemand scheint diesen Chuck zu kennen. Nur Chucks engste Vertrauten wissen, dass Chuck im Krankenhaus im Sterben liegt und vor seiner Krankheit für etwas Aufsehen gesorgt hat, als er zu der rhythmischen Musik von Jared Franck an der Boylston Street in Boston zu tanzen anfing. Er nahm an einer Tagung von Buchhaltern teil, als er während eines Nachmittagsspaziergangs bei dem Musiker stehenblieb und auf spektakuläre Weise zu tanzen anfing und eine junge Frau namens Janice einlädt, es ihm gleichzutun. „Später wird er den Namen seiner Frau vergessen. Erinnern wird er sich jedoch – gelegentlich – daran, wie er stehen blieb, die Aktentasche fallen ließ und anfing, die Hüften zum Rhythmus des Schlagzeugs zu bewegen, und dann wird er denken, dass Gott dafür die Welt erschaffen hat. Genau dafür.“ (S. 169) In der Titelgeschichte „Blutige Nachrichten“ gibt es ein Wiedersehen mit Holly Gibney, der Geschäftspartnerin von Bill Hodges, einem ehemaligen Detective, der nach seinem Ruhestand die Detektei „Finders Keepers“ gegründet hat. Nach den drei Romanen „Mr. Mercedes“, „Finderlohn“ und „Mind Control“ rückt Holly Gibney in dem Roman „Der Outsider“ mehr in den Vordergrund. Sie will sich gerade ihre Lieblings-Gerichtsshow im Fernsehen ansehen, als das Programm wegen einer Eilmeldung unterbrochen wird. Chet Ondowsky, der als erster Reporter vor Ort von einem Bombenattentat an einer Schule in Pineborough berichtet, erinnert Holly an den gestaltwandlerischen Outsider, den sie einst mit Detective Ralph Anderson zur Strecke gebracht zu haben glaubte. Durch ihren Psychiater kommt sie zu einem anderen Patienten in Kontakt, der ähnliche „Wahnvorstellungen“ über Gestaltwandler zu haben scheint, allerdings viel konkretere Beweise für die Existenz weiterer Outsider vorlegen kann … In der abschließenden Novelle „Ratte“ wird der Literaturdozent Drew Larson von der Idee gepackt, nach einem fürchterlich gescheiterten Versuch, neben seinen bisher veröffentlichten Kurzgeschichten auch einen Roman zu schreiben, es erneut zu versuchen, und zwar mit einem Western. Um die nötige Ruhe zu haben, fährt er in die Hütte seines vor zehn Jahren verstorbenen Dads, wo seine Arbeit zunächst flott von der Hand geht. Doch dann stellen sich wie schon beim ersten Mal die ersten Probleme ein, und Drew geht einen faustischen Pakt ein … Es ist vor allem das Wiedersehen mit der sympathischen Detektivin Holly Gibney in der titelgebenden Geschichte, die „Blutige Nachrichten“ für Stephen-King-Fans lesenswert macht. In dieser Geschichte entwickelt King die beunruhigende Story von „Der Outsider“ konsequent weiter, füllt die Figur mit Charakter und einer Biografie, die vor allem durch die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter geprägt ist. Vor allem erweist sich King hier als Meister der Spannung, die in den übrigen Geschichten kaum zur Entfaltung kommt. Während „Mr. Harrigans Telefon“ noch ein nostalgisches Gefühl von „The Twilight Zone“ aufkommen lässt, verpufft die nichtlinear erzählte Geschichte über Chuck Kurtz abgesehen von der lebendig beschriebenen Tanz-Einlage auf offener Straße ohne große Pointe. „Ratte“ greift das bei King beliebte und vor allem aus „Shining“ bekannte Motiv des Möchtegern-Romanautors auf, der in der Isolation unkluge Entscheidungen trifft und dafür die fürchterlichen Konsequenzen tragen muss. Letztlich ist die Qualität der einzelnen Geschichten zu unterschiedlich, um „Blutige Nachrichten“ zu einem guten Stephen-King-Werk zu machen. Stattdessen hätte der Bestseller-Autor die Titelgeschichte zu einem richtigen Roman ausbauen sollen.

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