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Rezension zu
Schwarzer Leopard, roter Wolf

Was für ein Ritt! Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander

Von: MissErfolg
15.07.2020

Der Wortschatz der deutschen Alltagssprache wird auf etwa 500.000 Wörter geschätzt, und doch fehlen mir die Worte, die dieses Buch in angemessener Weise beschreiben könnten. skurril, eigen, abgefahren, brutal, absurd, zusammenhangslos, verwirrend, wahnwitzig, exzentrisch, anstrengend(!), verstörend, unkonventionell, genial(?!) „Schwarzer Leopard, roter Wolf“ wurde als Afrikanisches Game of Thrones verkauft, aber wie so oft kann ich über ein derart missverständliches Buchmarketing nur den Kopf schütteln. Bis zu einem gewissen Grad mag der Vergleich standhalten. Schwarzer Leopard, roter Wolf ist eine üppige epische Geschichte in einem verzauberten und mythischen Afrika, gefüllt mit Quests, magischen Bestien und bösartigen Schlachten bis zum Tod. Aber es ist auch ein viel seltsameres, verwirrenderes Buch, als die Game of Thrones Vergleiche erahnen lassen. Das meiner Meinung nach größte Alleinstellungsmerkmal: Dieses Buch ist nicht von der Geschichte getrieben. Augenscheinlich fehlt der rote Faden stellenweise komplett. Schwarzer Leopard, roter Wolf widersetzt sich aktiv (!) allen Versuchen des Lesers, in die Welt des Buchs einzutauchen und sich darin zu verlieren. Ein Gefühl, das wir als Fantasy-Leser eigentlich besonders schätzen, würde ich mal behaupten. Die Geschichte ist absichtlich undurchsichtig, sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene. Inhaltlich ist die Suche nach einem vermissten Jungen, die angeblich die Handlung des Buches antreibt, so verwirrend und hat so wenig mit den Motivationen der Hauptfigur zu tun, dass sich der Rest der Figuren ständig darüber beschwert. „Dieses Kind hat keine Bedeutung für dich“ – Sätze wie diese fallen andauernd und lassen den Leser ernsthaft daran zweifeln, worin eigentlich der Zweck dieser Geschichte besteht. Zumal das Buch mit dem Satz beginnt: „Das Kind ist tot. Weiter gibt es nichts zu wissen.“ Mit anderen Worten: Wir wissen bereits von Anfang an, dass die im Klappentext angepriesene Suche vergeblich sein wird. Davon einmal abgesehen lässt sich die Handlung wie folgt zusammenfassen: Es gibt einen Jungen, der verschwunden ist, und eine mysteriöse Figur heuert mehrere Leute an, die den Jungen finden und zurückbringen sollen, weil dies eine ungeklärte wichtige Bedeutung für das gesamte Königreich haben würde. Die angeheuerte Truppe besteht aus einem Riesen, der kein Riese ist, einem gestaltwandelnden Leoparden, einer Hexe, einem Büffel, einer Wassergöttin und unserem Protagonisten „Sucher“, den alle mit den Worten begrüßen: Man sagt, du hättest eine Nase. Ebendiese Nase kann ihn zu jeder vermissten Person führen, sodass er seinen Lebensunterhalt als eine Art magischer Privatdetektiv bestreiten, der treulose Ehemänner aufspürt. Sprachlich und stilistisch zeigt sich, dass Genie und Wahnsinn oft nah beieinander liegen. Marlon James weiß, was tut, hat dafür in der Vergangenheit den Man Booker Prize gewonnen, und ist zweifelsohne ein fähiger Schriftsteller. Sein Schreibstil in diesem Buch ist extrem eigen, schwer zugänglich und teilweise so herausfordernd, dass es an Zumutung grenzt. Die Sprache ist roh, schmutzig, unverblümt und manchmal richtig „auf die Fresse“. Beim Lesen war ich mir oft nicht sicher: Ist das Kunst, oder kann das weg? Mir persönlich ist das Buch auf den über 800 Seiten irgendwie ans Herz gewachsen. Auch wenn ich ehrlich zugeben muss, dass ich es sicherlich abgebrochen hätte, hätte ich es nicht im Rahmen eines Buddyreads in Angriff genommen! Es war ein wilder, verstörender Ritt, den ich rückblickend aber zu schätzen weiß. Die Geschichte ist kurios, scheint über weite Strecken nur aus reinem Selbstzweck zu existieren, überrascht dann im nächsten Moment aber wieder mit wichtigen Themen wie Selbstfindung, Familie, Liebe und Trauerverarbeitung. Ob ich das Buch weiterempfehlen kann? Schwer zu sagen! Als Tandemlektüre mit einem guten Lesepartner ist Schwarzer Leopard, roter Wolf ein zweifelsohne horizonterweiterndes Erlebnis!

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