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Rezension zu
Das Derwischtor

Detektivische Zeitreise und mystische Rätsel

Von: EvaKrafczyk
23.03.2020

Eine Versicherungsinspektorin wird von ihrem Büro in Großbritannien in die Türkei geschickt - ehe für einen Hotelbrand eine Millionensumme gezahlt wird, soll Karen Greenwood klarstellen, dass ein Betrugsversuch ausgeschlossen werden kann. So weit die Ausgangslage von Ahmet Ümits Kriminalroman "Das Derwischtor", der so viel mehr als die Genre-Zuordnung auf dem Buchcover ist. Denn von einem klassischen Krimi ist dieses Buch weit entfernt. Statt dessen führt es den Leser in die mystische Welt der Derwische, wird zu einer detektivischen Zeitreise durch die Jahrhunderte und hält für die eigentlich nüchtern-britische Versicherungsfrau einige Überraschungen und übersinnlich Irritationen bereit. Zugleich ist die Reise nach Konya für Karen eine Rückkehr in die eigene, im Alltag verdrängte Vergangenheit. Hier war die Tochter einer englischen Mutter und eines türkischen Vaters als Kind, auch wenn sie nur schwammige Erinnerungen an den damaligen Besuch hat. Hier lernten sich ihre Eltern kennen, verließ ihr Vater das Ordenshaus der Derwische. Doch als Karen zwölf war, verließ er sie und ihre Mutter, sie hat keinerlei Ahnung, was aus ihm geworden ist. Schon deshalb kehrt sie mit gemischten Gefühlen nach Konya zurück, reagiert teils gereizt, teils irritiert auf ihren türkischen Kollegen Mennan, dem sie wegen seines protzigen Wagens zunächst misstraut - ist der Mann womöglich bestechlich? Auch Karens private Situation beeinflusst ihre Stimmung - die Mittdreißigerin weiß seit wenigen Tagen, dass sie schwanger ist. Für ihren Freund ist eine Abtreibung die einzig mögliche Sache, Karen ist sich da nicht so sicher. Karen schiebt es daher zunächst auf ihre persönliche Situation, dass sie sich immer wieder beobachtet fühlt. Wer ist der bärtige, schwarzgekleidete Mann mit den intensiven Augen, der immer wieder ihre Nähe zu suchen scheint, dann aber wieder spurlos verschwunden ist? Der ihr einen Ring geschenkt hat, der zu bluten scheint? Warum sieht sie in ihrem Hotelzimmer Dinge, die es eigentlich gar nicht geben kann und hört ihren türkischen Zweitnamen gerufen? Und waru?m zieht es sie immer wieder zu Orten, die mit dem Dichter Rumi und seinem Seelenfreund, dem vor 700 Jahren ermordeten Wanderderwisch Shams-e Tabrizi? Sind Karens (Alp-)Träume Wirklichkeit, in einer anderen Dimension? Wandelt sie zwischen den Jahrhunderten? Und spielen Ereignisse aus ihrer Kindheit eine Rolle bei den jetzigen mysteriösen Erlebnissen? Ahmet Ümits Kriminalroman ist zugleich eine märchenhaft-poetische Erzählung wie aus Tausendundeiner Nacht, voll mit den Mythen der Sufis und den Fragen nach Rumis Freundschaft mit Shams-e Tabrizi, der auch nach 700 Jahren noch eine schillernde Figur ist. Die verschnörkelte Sprache passt dazu. Zugleich ist mit der skeptisch-bodenständigen Karen ein Kontrapunkt in diese Handlung gesetzt, denn mit Mystik kann sie wenig anfangen, sie ist eben eine westliche Frau des 21. Jahrhunderts. Das Alte und das Neue, die von Kontrasten geprägte türkische Gegenwart, auch das lässt der Autor quasie nebenher einfließen. Der eigentliche Grund Karens, in die Türkei zu reisen, spielt zwar auch noch eine Rolle und sorgt am Ende für einige Dramatik, doch der Hotelbrand tritt über weite Strecken hinweg in den Hintergrund in diesem Buch, das mit seinen kurz gehaltenen Kapiteln lesefreundlich gestaltet wird. Der Mix von Detektivarbeit, Mystik, Geschichte und Surrealem macht den ganz besonderen Reiz des "Derwischtors" aus. Ungewöhnlich und spannend zugleich.

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