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Rezension zu
Das kalte Reich des Silbers

Kein Fehlgriff, aber auch kein Highlight

Von: Zeilenwanderer
21.09.2019

Ihr Lieben, kennt ihr das, wenn ihr ein Buch zu eurer neuesten Lektüre erwählt und recht hohe Erwartungen an die Geschichte habt? Ihr kennt den Autor bereits und wisst, dass ihr mit der Wahl des Autors eine ziemlich verlässliche Quelle dafür gewählt habt, dass die Geschichte tatsächlich gut werden könnte. Zu Beginn seid ihr auch recht begeistert, aber mit der Zeit merkt ihr immer stärker, dass dieses Buch nicht das ist, was ihr euch gewünscht habt. So ging es mir leider mit dem neuesten Werk von Naomi Novik: Das kalte Reich des Silbers. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, habe ich mich sehr auf die Lektüre gefreut. Vor einigen Jahren habe Uprooted von der Autorin gelesen, was ich sehr mochte. Nicht nur war der Schreibstil so herrlich ungewöhnlich und verträumt, auch die Handlung ist außergewöhnlich und originell. Naomi Novik ist zwar eine US-amerikanische Schriftstellerin, doch ihre Geschichten sind oft von osteuropäischen Märchen inspiriert, da sie selbst mit polnischen Märchen aufgewachsen ist. Für mich ist allein das schon etwas, das den Reiz ihrer Geschichten für mich ausmacht, denn viele osteuropäische Märchen sind mir keineswegs ein Begriff. Das kalte Reich des Silbers soll hingegen an Rumpelstilzchen angelehnt sein, doch die Ähnlichkeit habe ich persönlich nur an manchen Stellen bemerkt. Nichtsdestotrotz sticht die Geschichte mit ihrer ungewöhnlichen, düsteren und teils sehr melancholischen Handlung hervor. Allerdings leider auch durch ihre Langatmigkeit.  Mirjem ist die Protagonistin des Romans, doch es gibt noch einige weitere Nebenfiguren, die eine große Rolle in Das kalte Reich des Silbers einnehmen und die Geschichte erzählen. Insgesamt gibt es, wenn ich mich nicht irre, vier Erzählperspektiven. Manchmal werden zudem die gleichen Ereignisse aus den Perspektiven unterschiedlicher Figuren erzählt. Irgendwie interessant, irgendwie aber auch etwas langweilig. In diesen Fällen hätte ich mir gewünscht, man würde die Ereignisse in einem Kapitel abschließen und aus der Perspektive einer anderen Figur fortsetzen. Generell fand ich die Erzählweise gewöhnungsbedürftig, teilweise auch sehr verwirrend, weil die Kapitel zwar aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, aber nur Zahlen als Überschriften dienen. So musste ich mich mit jedem Kapitel fragen, wer überhaupt erzählt und welchem Handlungsstrang man folgt. Der Schreibstil ähnelt nicht dem von Uprooted. Er ist weniger ausgeschmückt und ausschweifend. Dafür ist er mehr auf den Punkt gebracht und für Noviks Verhältnisse echt knackig. Jedoch hat es die Autorin nicht hinbekomme, den einzelnen Figuren eine eigene Stimme zu geben, sodass der Anfang jedes Kapitels für mich zum Ratespiel wurde. Ich konnte vom Schreibstil alleine einfach nicht sagen, wer erzählt. Was mich tatsächlich auch sehr verwirrte: Die Geschichte wird zwar aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und dies geschieht sogar aus der ersten Person Singular, dennoch gab es keineswegs Emotionen, die während der Lektüre bei mir hervorkamen. Sämtliche Figuren berichten lediglich von Tatsachen. Von den Dingen, die sie machen – eine persönliche Note kommt dabei bei keinem zutage. Die Umgebung und alles wurde schön beschrieben, das Gefühlsleben keineswegs. Der Ort der Handlung ist Wisnja, was mir sehr gut gefallen hat. Wisnja wirkt wie eine Mischung aus Polen, Russland und Litauen. Damit hat Naomi Novik für mich ein Setting geschaffen, das ich in Büchern praktisch nie zu Gesicht bekomme. Ich mochte die Kälte, das Raue, das Ungewöhnliche und ich wünsche mir tatsächlich mehr Geschichten mit einer solch besonderen Atmosphäre. Bis die eigentliche Handlung einsetzt, vergehen jedoch mehrere hundert Seiten. Ich gebe ehrlich zu: Ich habe kämpfen müssen, um dieses Buch überhaupt weiter zu lesen, weil es mich die meiste Zeit so gelangweilt hat. Ganz verstehen konnte ich die Handlung auch nicht. Also was genau der rote Faden sein soll. Man erfährt unzählige unwichtige Dinge und auf dreißig Seiten gibt es vielleicht einen Satz, der wirklich wichtig ist und die Geschichte voranbringt. Dadurch zieht sich Das kalte Reich des Silbers ins Unermessliche. Die Figuren fand ich dennoch gelungen. Gerade Protagonistin Mirjem fand ich faszinierend. Sie ist selbstbewusst und setzt sich durch. Doch sie wirkt auch herzlos und kalt, was ich selten von Hauptfiguren kenne. In der Regel hat man ja doch Figuren im Zentrum eines Romans, mit denen sich die Leser identifizieren können. Hier fiel es mir persönlich etwas schwer, aber durch die interessanten Charaktere fand ich dies nicht schlimm. Allgemein empfinde ich die Charaktere des Romans als sehr vielschichtig. Sei dies die eben genannte Mirjem oder ihre Freundin / Helferin im Haushalt Wanda. Wanda und Mirjem sind zudem sehr unterschiedliche Figuren und es ist interessant zu sehen, wie die beiden miteinander agieren und was sie voneinander lernen. Eine ebenfalls große Rolle spielt Irina. Ähnlich wie Mirjem konnte sie mir nicht ganz ans Herz wachsen. Sie war mir mitunter zu eigensinnig und distanziert, was vermutlich dem eher sachlichen Schreibstil geschuldet ist. Was mir jedoch auch an Irina gefallen hat. Genau wie Mirjem findet sie sich nicht mit ihrem Schicksal ab und wartet nicht auf den Retter in der Not. Einer der Bösewichte ist der Staryk-König. Ich denke, diesen kann man recht gut mit dem Night King aus Game of Thrones bezeichnen. Er mag vielleicht nicht ganz so böse sein, aber alles, was der Leser von seinem Lebensstil und seiner Optik erfährt, passt genauso gut zum Night King. Was ich von dem Buch halten soll, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich mochte das Magische und die märchenhafte Atmosphäre des Romans. Gleichzeitig hätte man für mich auch auf mehrere hundert Seiten verzichten können. Es hätte einfach etwas mehr Abwechslung und Spannung zu Beginn des Romans geben können. Das hätte mich jedenfalls mehr zum Lesen motiviert, denn das war wirklich einer der Knackpunkte: Ich habe mich manchmal zum Lesen zwingen müssen. Der Ausgang der Geschichte war einerseits vorhersehbar, andererseits unerwartet. Jedoch war das Ende für meinen Geschmack etwas zu kitschig im Verhältnis zum übrigen Roman. Die Stimmung ist kalt, bedrohlich und düster. Dass es auf einmal einen derartigen Umschwung gibt, fand ich unpassend. Das kalte Reich des Silbers war kein Fehlgriff, aber ein richtig warm wurde ich mit der Geschichte auch nicht.

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