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Rezension zu
Scharnow

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Geistreiche Klamotte

Von: Thomas Lawall
08.09.2019

Merkwürdige Dinge geschehen. Und manchmal ziemlich oft. So als ob die Welt ganz langsam aus den Fugen geraten würde. Kalle scheint es zu merken oder mindestens zu ahnen. Was ist nur los mit ihm? Am Zeitschriftenregal im "Billkauf" entdeckt er zwischen Liebesromanen und Sportzeitschriften, wie achtlos hineingeworfen, ein seltsames Buch. Er fragt sich, wie um alles in der Welt er auf die Idee gekommen ist, es könnte dort selbst hineingesprungen sein. Eine Antwort findet er zunächst nicht. Ist auch nicht weiter schlimm, denn es gibt weitaus wichtigere Dinge zu tun. Schließlich trägt er Verantwortung. Der "Pakt der Glücklichen" ist sein Lebenswerk und als Gründer und Oberhaupt hat er alle Hände voll zu tun, denn neben allem Unbill des Lebens ist es gar nicht mal so einfach, seine illustre Truppe zusammen zu halten. Der "Bund skeptischer Bürger" (BsB) kann ein ähnliches Lied singen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gemeinschaft der Verschwörungstheoretiker sich zwangsläufig nicht nur höheren Zielen verpflichtet sieht, sondern zu allem Überfluss auch noch kurz vor der Vollendung ihrer großen Ziele steht. Man ist ihnen auf der Spur, den "Weltenlenkern"... und was dies alles mit einem Güllemilliardär und Gysis ehemaliger Katze zu tun hat, muss sich erst noch herausstellen. "Scharnow" beginnt unüblich und doch so, wie es sich die große Vielzahl der Damen und Herren der schreibenden Zunft einmal hinter die Ohren schreiben könnte: Mit einem Personenverzeichnis. Holla! In jedem Film und jeder Oper längst Usus. Neben den ersten unterhaltsamen Lachern könnte jedoch allein der Umfang etwas verängstigen. Doch keine Angst, der Herr Felsenheimer kriegt das ganz prima auf die Reihe. Halbwegs jedenfalls. Das und noch viel mehr. Was der Autor hier abliefert, katapultiert ihn aus dem Stand in die Nähe des Ranges eines deutschen John Niven. Dies fällt um so positiver auf, als diese Qualitätsstufe doch recht spärlich besetzt ist. In einem CD-Review würde man jetzt noch anfügen, dass hier keinesfalls etwas kopiert wird, sondern durch seine Eigenständigkeit überzeugen kann. Wo und wie man mit den Lobliedern beginnen soll, ist schwierig, denn hier stimmt einfach alles. Von einem bestimmten Standpunkt aus gesehen, versteht sich, denn wer keinen schrägen Humor mitbringt und das ganze Leben nicht als absurde Aneinanderreihung von sinnlosen Zufällen begreift, wird an der Geschichte, die Bela B Felsenheimer seiner "Jugend in Spandau" gewidmet hat, keinerlei Gefallen finden. Das Brandenburger Örtchen Scharnow, in der Nähe der Kreisstadt "Sahsenheim", gibt es natürlich nicht. Na und? Die ganzen Akteure ja auch nicht. Oder? Bei dieser Frage gerät man ins Schleudern, zumindest wenn man sich, wie auch dem Autor freundlichst unterstellt werden darf, in gewissen Kreisen tage-, wochen-, monate-, jahrelang oder gar immer noch herumtreibt. In jenen verrauchten Kaschemmen, wo das Leben wahre Gesichter zeigt. Dort gibt es alles, was man sich nur wünscht. Selbst ebenso fliegende wie verkannte Superhelden wirken dort gar nicht mal so spektakulär, sondern eher normal. Helden sind sie eh alle und verkannt sowieso. Scharnow ist somit nichts anderes als ein aktualisierter Bericht des ganz normalen Wahnsinns, der unten, gleich um die Ecke, tobt. Ein geniales Sammelsurium kapitaler Missverständnisse, falsch interpretierter Beobachtungen, vermeintlicher Halluzinationen oder entzauberter Verschwörungstheorien, jedoch gleichzeitig mit einigen metaphysischen Überraschungen angereichert. Wenn man so will. Was man unbedingt auch wollen sollte, ist ein gewisser Abstand zum Thema: Fragen müssen nicht beantwortet werden. Sackgassen dürfen ebenfalls kein Problem sein. Wenn nicht hier, geht es woanders weiter. Oder halt gar nicht. Eine geistreiche (mit Fanta versetzte) Klamotte ist es auch und eine durchgeknallte Milieustudie. Ein herrliches Stück Leben, voll abgehangen. Was ich damit sagen will: Natürlich gibt es sie wirklich. Leute wie Kalle und seine Jungs, Sylvia, das einstige Sportidol, "Trotsky" und seine Spezialkräfte, der "omnipräsente" Schlagersänger oder die ganzen anderen Verlierer. Ausnahme: Die Weltenlenker. Jene gibt es in der Realität natürlich nicht ...

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