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Rezension zu
Das Haus aus Stein

Poesie des Schreckens - "Das Haus aus Stein"

Von: Eva Krafczyk
07.09.2019

Gerade mal knapp 120 Seiten umfasst Asli Erdogans "Das Haus aus Stein", eigentlich ein schmaler Band. Und doch habe ich on and off zwei Monate gebraucht, mich durch dieses Buch zu lesen. Nicht, weil es schlecht war oder mich nicht fesselte - im Gegenteil. Aber diese eigenartig poetische Erzählung über Verzweiflung und folter, über den Verlust von Individualität, das Wegdriften des "Ichs", die Einsamkeit hinter Gefängnismauern, das Ausgeliefert sein - das lässt sich nur in kleinen Dosen ertragen. Angesichts der zahhlreichen politischen Gefangenen in der heutigen Türkei, angesichts der Prozesse auch gegen Schriftsteller und Journalisten, angesichts der Tatsache, dass aus Asli Erdogan inhaftiert wurde, scheint "Haus aus Stein" von bedrückender Aktualität. Dabei ist das Buch in der Türkei schon vor zehn Jahren erschienen. Wie schreibt man über das, das eigentlich unaussprechlich ist, das Innerste der Betroffenen berührt, aufreißt, umdreht? Wie schreibt man über Gewalt, die sprachlos macht oder die zum Verrat zwingt? Das Dilemma ist nicht neu, schon in der Frage, ob es Poesie nach Auschwitz geben kann, wurde es angesprochen. Und doch wählt Erdogan den poetischen Ansatz, erspart sich und dem Leser den Realismus des Brutalen, hält sich mit Beschreibungen eigener Erfahrungen zurück, ja mit Protagonisten überhaupt. Von einem "A." ist die Rede - doch sind es seine Reflektionen, ist er der Engel mit den gebrochenen Flügeln, der von den Gefangenen heraufbeschworen wird, ist er derjenige, der das Haus aus Stein zwar verlässt, aber nie frei wird von ihm? Sind es die geisterhaften Stimmen von Toten, die sich zu Wort melden? Vieles bleibt offen für die Interpretation des Lesers. Vom "endlosen Strudel des Fürchterlichen" schreibt Erdogan, wo der Schmerz weder Anfang noch Ende habe, wo der Schrecken das Dasein bestimmt: "Ich war in ein endloses, einziges Jetzt gepfercht, sein Stundenzeiger war abgefallen, und sein Minutenzeiger drehte sich sinnlos im Kreis. Die Stunden waren blutig gepeitscht worden und vermochten ihre schwere Last nicht mehr zu tragen, keinen Schritt mehr vor oder zurück zu tun, die Zeit nicht mehr von der Stelle zu bewegen. Hatte ich denn zuvor nie bemerkt, wieviel Unrecht und Willkür es auf der Welt gab?" Von Angst, die wie ein langer spitzer Knochen ist, schreibt Erdogan, vom Granituniversum einer Gefängniszelle Mitunter scheint der Erzählfluss Kreise zu ziehen, was das Lesen nicht imer erleichtert. Trotzdem, sprachlich wie inhaltlich ein eindrucksvolles Buch

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