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Rezension zu
Es hätte mir genauso

Sprachakrobatischer Hochseilakt

Von: M. D. Grand
24.08.2019

Gleich vorweg: Es hätte mir genauso ist definitiv eines der aller, aller besten Bücher, die ich in meinem ganzen Leben jemals gelesen habe. Wie schreibe ich aber eine Rezension zu etwas, das mich so hellauf begeistert hat? Und wie gehe ich damit um, wenn euch dieses Buch nicht halb so gut gefällt, wie mir? Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass dieses Buch sicher nicht für jedermann ist. Fakt ist auch, dass es mich einfach genau in meinem Humor und meiner Denkweise abgeholt hat. Und das auf so ungewöhnliche und originelle Weise, dass ich absolut verstehe, wenn jemand sagt: das ist nichts für mich. Stärken des Buchs: Die Schottin Ali Smith hat einen absolut ungewöhnlichen Schreibstil. Sie verzichtet vollkommen auf direkte Rede, was den Leser herausfordert, wirklich ständig dabei zu bleiben. Den Prolog musste ich zwei Mal lesen, weil ich dachte, ich habe irgendwas Essentielles nicht kapiert – und das stimmt auch. Der Prolog macht ausnahmslos Sinn, wenn man das ganze Buch bis zum Ende gelesen hat.Trotzdem ist der Schreibstil anspruchsvoll, wobei ich mich recht schnell daran gewöhnt habe und neben der Sprachakrobatik auch den Wortwitz und die immer mal wieder auftauchende Reflexion über Sprache toll fand. Es. Hätte. Mir. Genauso. Mit jeweils einem dieser Wörter beginnen die vier großen Kapitel, in die das Buch geteilt ist. Smith lässt in jedem Kapitel verschiedene Charaktere auftreten, die eigentlich nur durch Miles – den Herrn im Gästezimmer – miteinander verbunden sind. Miles ist dabei allerdings eher nebensächlich. Es werden verschiedene Szenen aus dem Leben der Figuren erzählt, die mich immer wieder zum Schmunzeln, manchmal zum Lachen und einmal sogar fast zum Weinen gebracht haben. Unter anderem beinhaltet das Buch die für mich schönste Liebesgeschichte, die auf knapp eineinhalb Seiten rührender ist, als jeder große Liebesroman. Die Charktere sind dabei genauso ungewöhnlich gewählt wie das ganze Buch. Trotzdem kehrt die Autorin immer wieder zu Miles zurück, erzählt verschiedene erste Begegnungen mit ihm, die ihn sofort lebendig machen, auch, wenn man ihn eigentlich sozusagen nie wirklich zu Gesicht bekommt. Mit viel unterschwelligem Witz kommentiert die Autorin gesellschaftliche Probleme, wobei der Witz tatsächlich so unterschwellig ist, dass man dafür schon einen bestimmten Grundsarkasmus und bösen Schmäh’ (wie wir Österreicher sagen) haben muss. Wer nach wirklichen Witzen sucht, sucht hier vergebens. Trotzdem habe ich den trockenen Humor der Autorin sehr genossen und wirklich gelacht – was eine Kunst ist. Unter Leuten, die mich schlecht kennen, kursiert nämlich das Gerücht, ich würde keinen Spaß verstehen. Dabei mag ich nur keine Witze oder absichtlichen (erzwungenen) Humor. Ali Smiths unterschwellige Boshaftigkeit im Stile eines schwarzen, englischen Humors trifft mich daher genau in der Seele. Kunstvoll ist aber nicht nur die Satire, sondern auch der (wirre?) Handlungsbogen. Die Art, wie Smith die doch irgendwie unzusammenhängenden Geschichten zusammenspinnt, immer wieder zu Miles zurückkehrt und ihn doch nie zu Wort kommen lässt, mag vielleicht manchen zum wütenden Buch-In-Die-Ecke-Pfeffern bringen. Mich hat es fasziniert. Wie eine Seiltänzerin bewegt sie sich immer gerade so weit über den Abgrund, das der Leser gerade nicht mitrutscht. Und am Ende? Wird alles gut. Alle Handlungsbögen und Ebenen kommen zusammen, vor allem über das Kind Brooke Bayoude (Cleveristin), die wie ein schlauer Leuchtturm immer die Richtung hält und definitiv nochmal ein Highlight der Story ist. Mit ihr knüpft das Ende wieder an den Prolog an und auf einmal macht alles Sinn. Trotzdem bleiben viele Dinge unbeantwortet, was mich persönlich nicht gestört hat. Dennoch könnte es für manche ein Kritikpunkt sein, daher: endlich ab zu den Schwächen. Schwächen des Buchs: Für mich hatte dieses Buch eigentlich keine Schwäche. Aber: Wer unbeantwortete Fragen nicht mag und nicht gerne bei Büchern mitdenkt, wer keinen unterschwelligen Humor mag, sondern lieber offen und direkt oder gar brav, ist dieses Buch NICHT zu empfehlen. Genauso für alle, für die die Handlung immer geradeaus gehen muss oder solche, die sich denkerisch nicht gerne mit ihrer Umgebung auseinandersetzen. Mein Fazit: Wenn du also das Gefühl hast, du bist absolut nicht wie ich: BITTE KAUF DAS BUCH NICHT. Fühlst du dich aber doch irgendwie wie ich, immer auf der Suche nach einer denkerischen Herausforderung oder schwarzem Humor, für den man sein Gehirn anstrengen muss, dann bitte, bitte greif zu! Dann wirst du Es hätte mir genauso lieben – vielleicht sogar fast so sehr wie ich. Na gut, aber zumindest wird es dir gefallen, da bin ich mir sicher. Da es das Buch also (wie man vielleicht rauslesen kann) in meine Liste der Lieblingsbücher geschafft, hat, plädiere ich für 6 von 5 Sternen. Da wir aber hier nur fünf haben, werden die es bestimmt auch tun.

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