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Rezension zu
Racheherbst

Nichts für Zartbesaitete und Nervenschwache!

Von: Chridhe
30.07.2019

"Racheherbst" ist Band 2 in der Reihe um Ermittler Walter Pulaski, der sich beim Leipziger Kriminaldauerdienst eher auf dem Abstellgleis befindet (Band 1: "Rachesommer"). Protagonist des Romans ist zum einen der 54-jährige Kommissar Walter Pulaski. Dieser hat sich nach dem Krebstod seiner Frau vor acht Jahren vom LKA Dresden zum Kriminaldauerdienst in Leipzig versetzen lassen, um im geregelten Dienst mehr Zeit für seine Tochter zu haben. Nicht nur seine Degradierung ist dafür verantwortlich, dass man den cleveren kettenrauchenden Ermittler nicht mehr ernst nimmt, auch sein Asthma sorgt dafür, dass man ihm nur noch harmlose Fälle überträgt. Doch Pulaski ist ein guter Beobachter mit ausgeprägter Schnüfflernase, der auch hinter die Fassade vermeintlich todsicherer Fälle blickt. Als in der Elster die schrecklich zugerichtete, nackte Leiche einer Achtzehnjährigen gefunden wird, der alle Knochen im Körper gebrochen wurden, ist er der Einzige, der ahnt, dass er es nicht einfach nur mit einer namenlosen Prostituierten zu tun hat, die im Drogenrausch Selbstmord begangen hat. Und so beginnt der wortkarge, einsame Ermittler, gegen den Willen seiner Vorgesetzten Nachforschungen anzustellen, und setzt seine berufliche Laufbahn ein weiteres Mal aufs Spiel. Begleitet wird er dabei von einer zweiten Protagonistin: Mikaela, der Mutter der toten Natalie. Sie stammt aus der Tschechischen Republik und ist in Berlin in zweiter Ehe mit einem Expolizisten verheiratet, der sie ausnutzt, misshandelt und auch ihre beiden Töchter aus dem Haus getrieben hat. Mikaela glaubt nicht an einen Selbstmord ihrer ältesten Tochter und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln; darüber hinaus sucht sie ihre zweite (jüngere) Tochter Dana, die ebenfalls in Leipzig lebte und seit dem Tod ihrer Schwester verschwunden ist. An dieser Stelle verwandelt sich die Figur allerdings m. E. zu schnell von einem geprügelten Hund in eine zielstrebig agierende Rachegöttin. Die Tschechin folgt den Spuren mit dem Mut und der Verzweiflung einer Mutter, die gerade ein Kind verloren hat, und hat dabei das eine oder andere Mal mehr Glück als Verstand. Aber vor allem hat sie Pulaski an ihrer Seite, den sie an seine verstorbene Frau erinnert und der sie wiederholt aus gefährlichen Situationen rettet. Und davon auch nicht ablässt, als sie ihn wiederholt bestiehlt, um sich auf Alleingänge zu begeben. Aber gemeinsam finden die beiden Hinweise, die sie zuerst nach Prag, dann nach Passau und schließlich nach Wien führen – allesamt Schauplätze weiterer Morde an Prostituierten. Zur gleichen Zeit wird in Wien Anwältin Evelyn Meyers von dem plastischen Chirurgen Dr. Konstantin engagiert, dem vorgeworfen wird, vor einem Jahr eine junge Frau ermordet zu haben, deren verweste Leiche gerade auf einem Autofriedhof gefunden wurde. Obwohl ihr Freund Patrick, ein Privatdetektiv, sie vor dem Mediziner warnt, setzt die Anwältin sich über seine Bedenken hinweg und beschließt, Konstantin trotz eines unguten Gefühles zu vertreten. An dieser Stelle wurde ich das Gefühl nicht los, dass Andreas Gruber ein Problem mit Frauenfiguren hat. Oder vielleicht sind seine Darstellungen von Frauenfiguren auch meine persönliche Achillesferse. In Racheherbst fällt auf, dass sich die intelligente und (angeblich so) toughe Anwältin Evelyn Meyers ausgesprochen out of character verhält, als eine der männlichen Figuren sie auf leicht durchschaubare Weise zu manipulieren versucht und ihr eine Lügengeschichte nach der anderen auftischt. Dass Meyers hier wie eine pubertierende Teenagerin weiterhin an diesem Fall festhält, ist für mich eines der großen Rätsel des Buches. Und eine klare Schwäche. Aber leider nicht die einzige. Als sie am Ende die Identität des Killers gelüftet hat, wendet sie sich nicht an die ermittelnden Beamten, sondern sucht den Täter zu Hause auf, um auf eigene Faust Beweise zu finden – ohne jemanden davon in Kenntnis zu setzen. Und selbst als sich ihr mindestens zweimal Gelegenheiten bieten, ihm zu entkommen, ergreift sie diese nicht. Es gibt für mich persönlich nichts Schlimmeres in einem Krimi als eine offensichtlich dumm agierende Figur, die dem Leser als intelligent und einfallsreich verkauft wird. Und dann greift Gruber am Ende auch noch auf das Klischee des Killers zurück, der seine Tat und seine Motivation in allen Details darlegt, bevor er sich anschickt, sein Opfer außer Gefecht zu setzen. Eine weitere Schwäche des Buches, die – wie leider so oft – den Fall des Täters begünstigt. Allerdings macht der Autor diese Schwäche dann mit einem packenden Showdown wett, der mich vor atemloser Spannung lange wachhielt, als alle Akteure zusammenkommen und um ihr Überleben kämpfen. In einem weiteren kleineren Handlungsstrang bekommt der Leser/Zuhörer Einblick in die Vorgehensweise des noch unbekannten Killers. Dieser hat im Laufe der Jahre diverse Frauen ermordet – seine Morde sind bizarr, brutal und sehr verstörend. Und seine Motivation ist es ebenfalls. Wer lieber Cozy Mystery liest, sollte daher einen Bogen um Grubers Romane machen. Die Enttarnung des Täters gehört allerdings wiederum zu den großen Schwächen des Buches. Lange hatte ich gehofft, dass Gruber mir hier (mindestens) einen Red Herring präsentiert, aber leider ist die Auflösung doch einfacher als gedacht. Der Autor bietet zwar mehrere Verdächtige an, aber die Identität des Mörders stellt keine große Herausforderung dar. Durch die relativ kurzen Kapitel, die oftmals mit Cliffhangern enden, steigt die Spannung des Lesers/Zuhörers immer wieder, und der Thriller entwickelt sich rasch zum Pageturner mit einigen überraschenden, aber leider auch wenig überraschenden, unlogischen Wendungen. Andreas Gruber lässt Pulaski und Meyers lange Zeit getrennt ermitteln, erst spät im letzten Viertel des Buches führt er die Handlungsstränge zusammen. Zum Hörbuch Gelesen wird das Hörbuch zu Racheherbst von Achim Buch, und das wirklich exzellent. Er findet in meinen Augen genau die richtige Sprechgeschwindigkeit, hat eine ruhige, angenehme Art und spricht klar und deutlich, sodass man sich einerseits beim Zuhören nicht langweilt, andererseits der zum Teil komplexen Handlung mit den diversen Perspektiv- und Zeitwechseln sehr gut folgen kann. Und die Art und Weise, wie Buch die unterschiedlichen Figuren spricht und ihnen so einen individuellen, unverwechselbaren Charakter verpasst – großartig! Gerade wenn er in Figuren schlüpft, die Dialekt sprechen (hauptsächlich Sächsisch und Niederbayerisch, aber ein wenig Berlinerisch und Wienerisch sind ebenfalls dabei), hatte ich großen Spaß und musste das eine oder andere Mal herzlich lachen. Es war ein echtes Vergnügen, Achim Buch zu lauschen! Mein Fazit: Abgesehen von einigen gravierenden Schwächen bei der Charakterisierung/Beschreibung von Evelyn Meyers und dem Täter liefert Andreas Gruber wieder solide Krimikost, die den Zuhörer trotz allem vom Prolog an gefangen nimmt. Nichts für Zartbesaitete und Nervenschwache!

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