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Rezension zu
Der Beginn

Packt einen tief

Von: Michael Lehmann-Pape
08.07.2019

Auch wenn nach wenigen Seiten bereits das Drama geschehen ist und Terje mit seinem Auto, aus dem Nichts heraus, wie es scheint, zielgerichtet den LKW auf der Gegenfahrbahn ansteuert, der Weg dahin, ein gesamtes Lebensresümee, das ist überaus lesenswert, was Tiller da an Rückblicken dem Leser intensiv mit auf den Weg gibt. Die Mutter, die zunächst einfach nur ein wenig sehr „bemutternd“ erscheint. „Mein Gott, Du bist fast 50. Ich mache es selbst“ (einfach nur ein paar Blumen für eine Vase fertig machen). Und doch wankelmütige Gefühle in sich trägt, nach dem Tod ihres Mannes auch hier und da versucht, nochmal auf die „Sonnenseite“ des Lebens zu gelangen (aber nicht, wenn Terje da mitzureden hat, denn der gezielte Unfall ereignet sich auf dem Rückweg von einer eigentlichen „Mission“ zum Geraderücken des gemeinsamen Lebens mit der Mutter) und dabei ein teils klägliches Bild abgibt. Oder liegt es an Terje? Wie bei dem damaligen Freund seiner Schwester, den er mit seinem Kumpel zusammen auch mal sich so richtig vornimmt. Also, richtig sympathisch ist dieser Terje nicht. Erst nun, auf dem Bett auf der Intensivstation, reflektiert er, was er da eigentlich gelebt hat. Und öffnet ein weites Bild auf die moderne Welt und den modernen Menschen, auf ein Leben, das vor sich hin gleitet, das kaum absolute Leidenschaften kennt, in dem Langeweile auch nicht selten den Ton vorgibt und in dem Beziehungen „aus dem Bauch heraus“, wie in einer langen Pubertät bis weit ins mittlere Alter hinein, gestaltet werden. Ohne dass diese wirklich gelingen dadurch. Und doch hält man aneinander, eng sogar. „Ich sah sie an und lächelte, aber sie lächelte nicht zurück, ihr Gesicht zeigte überhaupt keine Mimik. Sie sieht mich nicht einmal an, dachte ich“. Du auch wen n das dadurch erklärbar ist, dass Terje zu diesem Zeitpunkt weit in sich selbst zurückgezogen nurmehr existiert, es ist doch ein Bild auch für dieses hin- und her wankende Leben, dass der Mann und Journalist führt und das Tiller wie nebenbei und entspannt mit klaren Sätzen und klarer Sprache erzählt samt all den allgemeinen und situativen Ungereimtheiten, die dieser Terje in die Welt setzt, Tag für Tag. „Ich fing an zu lachen, klang aber nicht so echt, wie ich gewollt hätte“. Weil so oft Rollen gespielt werden, weil Terje die Kunst der doppeldeutigen Botschaft und der versteckten Intentionen pflegt, weil er gerne nahe tritt, aber ohne dafür belangt werden zu können, Was im Übrigen auch für die Liebe in seinem Leben gilt. Immer haarscharf am Eigentlichen vorbei, das ergibt sich mehr und mehr als roter Faden dieses Lebens bis hin zum Ende, nicht nur des Buches. Was durch Tiller als nochmaliger Höhepunkt in den Raum der Seiten gesetzt wird, denn wie her das letztliche Sterben intuitiv und intensiv geschildert wird, wie Terje sich von außen da liegen sieht und zugleich wie eine Fruchtfliege dem Leben nochmal einen neuen Geschmack abringt, wie die Liebe zueinander findet kurz bevor es zu spät ist und wie sein Vater noch einmal eine tragende Rolle im Leben einnimmt, die Terje lange an die Seite gedrängt hat, das lässt den Leser am Ende erschüttert zurück. Vom ersten Atemzug bis zum letzten reicht diese Lebensbeschreibung, von innerer Unruhe und Aggression, von ein paar zärtlichen, tiefen Momenten bis hin zu diesem ständigen Gefühl, nicht wirklich zu reichen, nicht anzukommen, nicht das zu leben, was möglich wäre, sondern oft nur das, was impulsiv durch schwierig geprägte Emotionen an die Oberfläche schwappt. Bei dem Terje schon als Kind symbolhaft den Eimer im frisch gestrichenen Zimmer umwirft, als Bild für sein Leben, in dem Terje so oft knapp daneben tritt und sich, augenscheinlich, viel zu lange gar nichts daraus macht. „„Kann solche Typen nicht ausstehen“, sagte ich, schloss das Fenster und setzte mich“. Erst spät wird Terje erkennen, was der Leser schon nach den ersten 20, 30 Seite spürt: Dass Terje genau ein solcher Typ ist. Bis es eigentlich zu spät ist. Das Ganze hervorragend geschrieben, flüssig und emotional dicht vor die Augen geführt, ergibt eine sehr empfehlenswerte Lektüre, die das Leben der Moderne bestens mit reflektiert.

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