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Rezension zu
Das Haus meiner Eltern hat viele Räume

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein Buch, das bewegt und Impulse setzt.

Von: Die Tanja Köhler aus 78588 Denkingen
10.06.2019

Wie kann es uns gelingen, respektvoll Abschied vom Haus unserer Kindheit zu nehmen? Uns zu befreien von Dingen, die nicht zu uns gehören, aber Teil von uns sind? Dieser spannenden Frage geht die Autorin nach. Schreibstil: Stell‘ dir vor, du geht mit einer alten Freundin aus Kindheitstagen wandern. An einer erhabenen Stelle macht Ihr Rast. Ihr nehmt schweigend nebeneinander Platz und genießt den Blick in die Weite. In die Stille hinein fängst du an zu reden. Mehr zu dir selbst als zu deiner Freundin. Du sprichst über das Haus deiner Eltern. Über das Leben dort. In deiner Kindheit. In deiner Jugend. Und über die Lebensspuren, die es in dir hinterlassen hat. Und wie es dir ergangen ist, als dieses Haus nun verkauft wurde. Genauso fühlt sich der Schreibstil der Autorin an. Es fühlt sich an, als ob zwei Freundinnen nebeneinander auf einer Bank sitzen und eine davon in Gedanken redet und die andere ihr zuhört. Ihr gerne zuhört und hin und wieder eine Frage stellt. Diesen Schreibstil liebe ich. Und so habe ich die 149 Seiten in einem Rutsch gelesen. Okay, eigentlich sind es 188 Seiten. Aber der Rest ist für mich Anhang. Das Spannende befindet sich im ersten Teil. Ursula steht wie ich in der Mitte des Lebens. Sie wurde 1963 in Ravensburg geboren. Das liegt bei mir um’s Eck. Zumindest gefühlt. Einzugsgebiet Bodensee, Schwaben. Ihr Lebenslauf liest sich beeindruckend. Aber tatsächlich ist es erleichternd, wenn du im Buch liest, dass auch sie mal ‚pleite‘ war, in größter finanzieller Not. Auch ich kenne das. Und du vielleicht auch. Und so hast du beim Lesen des Buches niemals nur annähernd das Gefühl, dass Ursula vom hohen Ross der wissenden Journalistin schreibt. Sie ist auf Augenhöhe mit dem Leser. Und schreibt über sich und ihre Erfahrungen. Und an diesen lässt sie uns teilhaben. Bringt uns in Dialog mit uns selbst. Wie ist’s bei mir? Wie wird es sein? Auch Ursula gehört der Generation der Kriegsenkel an. Ihre Eltern waren zum Zeitpunkt des 2. Weltkrieges Kinder. Und diese Kinder haben ganz spezifische Erfahrungen gemacht, die sie über den sogenannten Generationentransfer an uns weitergegeben haben. Oftmals ohne es zu wissen. Ich nenne das 'Unsichtbare Staffelstäbe'. Und so kann man sA Buch der Kriegsenkel-Literatur zuordnen. Allerdings eher der Einsteiger-Literatur. Aber auch für fortgeschrittene Leser zu diesem Thema ist das Buch lesenswert. Es sortiert unser bestehendes Wissen in den Kontext des endgültigen Abschiednehmens ein. „Ausräumen ist Schwerstarbeit für die Seele“, mit dieser Aussage trifft Ursula einen wesentlichen Punkt. Wenn wir ans Ausräumen denken, dann zumeist an harte körperliche Arbeit. Auch ich habe den Umzug meiner Oma gestemmt. 4,1 Tonnen (!) sind damals 1988 auf der Müllhalde im hessischen Dillenburg gelangt. Diese Zahl weiß ich nur noch, weil das Erlebnis für mich irgendwie traumatisch gewesen ist. Immer, wenn ich in die Müllhalde gefahren bin, bin ich samt meinem damaligen kleinen blauen Fiat Tipo gewogen worden. Und wieder, als ich das Gelände verlassen habe. Das Differenzgewicht musste ich am Schluss bezahlen. 4,1 Tonnen! Mit jeder Fahrt baute sich eine Art Beziehung zum Müllhalden-Wächter auf. Ich erzählte ihm vom Umzug meiner Oma und bei meiner letzten Fahrt fragte er mich: „Und in welchem der vielen Säcke liegt nun Ihre Oma?“ Makaber. Und trotzdem musste ich lachen. Humor hilft bei schweren Situationen. Und so gibt’s auch in Ursulas Buch Stellen, die zum Schmunzeln anregen. Wenn ich heute noch die Gelegenheit hätte, dann würde ich mich gerne bei meiner Oma für mein rabiates Vorgehen entschuldigen. Ursula stellt es klar: Habt Respekt vor den Dingen Eurer Eltern (und auch Großeltern)! Auch wenn’s nicht immer leicht fällt. Mein persönliches Fazit: Respekt vor dem Besitz der Eltern bedeutet Respekt vor sich selbst zu haben. DANKE, liebe Ursula Ott für dieses wertvolle Buch. Übrigens: meine Mutter (Jahrgang 1939) hat mir dein Buch geschenkt. Eine glatte 5-Sterne-Empfehlung von mir!

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