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Rezension zu
Das Haus aus Stein

Aslı Erdoğan – Das Haus aus Stein

Von: Miss.mesmerized
12.05.2019

In Istanbul steht das „Sansaryan Han“, ein Haus aus Stein, das das Vorbild für Aslı Erdoğans Roman bildet. In jenes Haus wurden die politischen Häftlinge, die Schwerkriminellen, die Staatsgegner gebracht und gefoltert. Hiervon schreibt die Autorin, die nach dem Militärputsch 2016 selbst zum Opfer des türkischen Staates wurde und 132 Tage im Gefängnis verbringen musste. Was sie 2009 literarisch verarbeitete, musste sie selbst am eigenen Leib nur wenige Jahre später erfahren. Der Roman, der mit dem bedeutendsten türkischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, hat keine Handlung im klassischen Sinn. So wie sich die Persönlichkeit in der Gefangenschaft zunehmend auflöst, ist auch der Text schwer greifbar, er kreist spiralförmig auf ein Ziel hin, von dem man nicht weiß, was es sein wird: Tod oder Leben, Erlösung oder Verdammnis. Einer, der einstmals offenbar hinter den Mauern lebte, lebt nun außen, in den Schatten der Gemäuer, aus denen die unzähligen Stimmen dröhnen. Aber für ihn ist es gleich, auf welcher Seite der Mauer er steht, er trägt die Erfahrungen tief in sich und kann sie wie böse Dämonen nicht mehr los werden. Man kann den Roman nur als kafkaesk im klassischen Sinn bezeichnen. Es gibt kein Verbrechen, keine Anklage und kein Urteil für eine Tat. Es herrschen eine diffuse Angst und Verunsicherung und die Verzweiflung wird zunehmend stärker. Das Individuum kann die Lage nicht überschauen, schon gar nicht kontrollieren, sondern ist ausgeliefert. So fühlt es sich an im Gefängnis, wo Willkür herrscht, vor der nur der Tod schützt. So schwer der Text auf der Handlungsebene zugänglich ist, so sehr strahlt er doch sprachlich. Aslı Erdoğan spricht in Metaphern, verbildlicht so das Innen- und Außenleben ihrer Figuren und lässt zugleich Deutungsspielraum. Sie erspart dem Leser so auch deutliche Beschreibungen der Folter und Qualen, deren Folgen jedoch auch so spürbar werden. Die Realität der politischen Lage hat hier die Literatur eingeholt und einmal mehr bewiesen, dass der Mensch zu mehr fähig ist, als man sich in den schlimmsten Alpträumen ausmalen mag.

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