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Rezension zu
Das Haus aus Stein

Gefangensein

Von: Marina Büttner
18.04.2019

„Was in dem Roman erzählt wird, ist natürlich frei erfunden. Erfunden aber hat es die Wirklichkeit.“ Diesen und weitere solch wunderbare Sätze finden sich in Aslı Erdoğans Roman „Das Haus aus Stein“, der bereits 2009 in der Türkei erschien und jetzt erstmals auf Deutsch zu lesen ist. Die Autorin hat ein aktuelles Vorwort vorangestellt, das unter anderem auch auf ihren eigenen Gefängnisaufenthalt hinweist und die Leserin staunen lässt, wie sie in diesem lange vorher erschienenen Roman bereits wie eine Wissende oder doch zumindest Ahnende über ein Gefängnis schreibt, über das Haus aus Stein. Absurd ist zudem, das Erdoğan für dieses Buch in der Türkei damals den bedeutendsten Literaturpreis bekam und Jahre später wegen ihres Schreibens inhaftiert wurde. Die Autorin war 132 Tage lang im Istanbuler Frauengefängnis und erzählt, dass sie nach ihrer Freilassung, die einfachsten Dinge nicht mehr tun konnte – „In der Haft entwickelt man sich zurück, wird wieder zum Kind ohne Rechte und Verantwortung.“. Heute lebt sie im Exil, aber sicher, in Frankfurt am Main. Über die Erfahrung zu schreiben, fällt ihr schwer, macht sie sogar krank, heißt es im Nachwort. Sie wird es dennoch tun. “ – ist das Schreiben nicht gewissermaßen die Kunst, in der Glut zu rühren, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen? – „ Es ist ein nur etwa 100 Seiten zählender Text, der allerdings das Gewicht eines 1000-Seiters hat. Die Autorin schreibt in einer Dichte und Intensität, wie ich sie schon aus ihren vor zwei Jahren erschienen Essays „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ kenne. Diese Dichtheit macht es auch schwer, etwas über den Inhalt zu sagen. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger, als das Thema im Gefängnis sein/Gefangensein/unfrei Sein. Und wie kann man über dieses Thema mit solcher Schönheit und Poesie schreiben? Aslı Erdoğan kann es. „Heute werde ich vom Haus aus Stein erzählen, dem das Schreiben gern ausweicht, dem es nur aus sicherer Entfernung zusieht, durch die Wörter hindurch.“ Es passiert vermeintlich nicht viel in dieser Geschichte. Ein junger Mann, nur A. genannt, der früh einen Gefängnisaufenthalt hatte, schafft es nach der Entlassung nicht mehr ins Leben zurück. Wir lesen von dem unendlichen Schmerz, körperlich uns seelisch und vom Leid in der Zeit danach. A. lebt auf der Straße, gegenüber des Gefängnisses, des Haus aus Stein. Er ist ein Niemand geworden. Die vorüber Eilenden beachten ihn nicht. Er ist für die Welt verloren. Eindringlich, wie eine einzige fortlaufende Suada, Sätze wie Refrains wiederholend, beschreibt die Autorin diese brüchige Existenz, die selbst keine Worte mehr findet, mitunter nur noch in wildes lautes Gelächter ausbricht. Ver-rückt. Den Verstand verloren. Erneut unfrei. „Jedes Menschenleben ist schließlich eine Niederlage, nur fällt sie bei manchen grandioser aus als bei anderen.“ Dieses Buch ist hart, geht in die Tiefe des Schmerzes und ist eigentlich nicht auszuhalten, würde Asli Erdoğan nicht solche Worte dafür finden. Und auszuhalten vielleicht auch dann, wenn die Leserin sich vor Augen führt, dass die Autorin womöglich ähnlich Unerträgliches er- und überlebt hat. Und dass es immer noch überall auf der Welt solche furchtbaren Orte gibt – solche Häuser aus Stein.

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