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Rezension zu
Geheimnisse der Vernehmungskunst

Fachbuch statt Sachbuch

Von: Sparkles and her Books
28.03.2019

Worum geht’s? Josef Wilfling hat über 40 Jahre als Polizist gearbeitet, davon über 22 Jahre bei der Mordkommission. Er kennt den Alltag und die Polizeiarbeit und möchte mit seinen Büchern Einblicke in eine Welt gewähren, die vielen normalerweise verborgen bleibt oder nur aus Tatort-Sendungen bekannt ist. Sein viertes Buch „Geheimnisse der Vernehmungskunst“ soll sein enormes Erfahrungswissen rund um das Thema Vernehmungen für die breite Öffentlichkeit zugänglich machen und damit noch tiefere Einblicke in die Welt der Strafverfahren liefern. Schreibstil / Gestaltung Das Cover zeigt Herrn Wilfling mit einem Tisch samt Stuhl im Hintergrund, das typische Bild eines Vernehmungszimmers. Der Titel ist in einer schreibmaschinenartigen Schrift geschrieben und passt zum Vernehmungsthema. Als Highlight gibt es zudem einen roten „Stempelabdruck“, der die Strategien des legendären Mordermittlers verspricht. Insgesamt wirkt die Gestaltung etwas effekthascherisch, passt zugleich aber auch zu den drei bisherigen Büchern des Autoren. Das Buch umfasst nach einem Vorwort grob acht Hauptabschnitte mit jeweils mehreren kürzeren Unterabschnitten. Jeder Hauptabschnitt befasst sich mit einem anderen Aspekt rund um das Thema Vernehmung. Die Unterabschnitte sind von halbseitig bis mehrere Seiten lang. Im Anhang findet man Vernehmungskonzepte und ein Schlagwortregister. Der Schreibstil ist sehr nüchtern und sachlich gehalten mit vereinzelten persönlichen Äußerungen des Autoren. Mein Fazit Noch nie war ich nach der Lektüre eines Buches so zwiegespalten wie bei „Geheimnisse der Vernehmungskunst“. Mir sind die drei bisherigen Bücher des Herrn Wilfling bekannt und auch Jahre später gelten sie als eine meiner Top-Empfehlungen im Bereich der Real Crime Bücher. Groß war daher die Freude, als ich sah, dass Herr Wilfling ein weiteres Buch herausbringt. Ich ging davon aus, dass es in eine ähnliche Kerbe schlagen würde wie die Vorgänger. Auch der Klappentext klang für mich nach berichtender Erzählung aus der Polizeipraxis mit Erkenntnissen für den Alltag. Als ich in der Vorschau das Inhaltsverzeichnis sah, war ich kurzzeitig irritiert und nicht überzeugt – und habe mich entgegen meines Bauchgefühls für das Buch entschieden. Das, so musste ich mittlerweile feststellen, war ein Fehler. Doch wieso? Ich weiß nicht, ob es an falscher Erwartung meinerseits aufgrund der bisherigen Bücher lag oder ob der Klappentext und die Infotexte etwas Falsches suggerieren: Geheimnisse der Vernehmungskunst ist für mich kein Real Crime Buch, es ist für mich kein Sachbuch und es ist vor allem kein Publikumsbuch. Bereits das sehr kleinschrittige Inhaltsverzeichnis gab den Hinweis darauf und dennoch habe ich es „übersehen“. Dieses als Handbuch bezeichnete Buch ist nichts anderes als ein Lehrbuch. Detailliert wird jeder Schritt rund um das Thema Vernehmung durchgearbeitet, inklusive gesetzlicher Grundlage und zahlreicher juristischer Definitionen. Das Buch liest sich von Seite 1 an wie eine Anleitung für (angehende) Vernehmungsbeamte. Herr Wilfling erwähnt in seinem Vorwort, dass die Erkenntnisse „für jene Leser, die nicht dem professionellen Bereich angehören“ auch alltagstauglich sind. Welche Erkenntnisse dies sein sollen, vermag mir bis zum Ende nicht einzuleuchten. Ich erfahre in diesem Buch, dass jemand nicht via Postkarte geladen werden darf, den Unterschied zwischen Spontanäußerungen und informatorischen Befragungen und wie der BGH und das BVerfG zum Thema verdeckte Ermittler stehen. Außerdem weiß ich jetzt, welche Punkte Verteidiger gerne anprangern – laut Autor unberechtigt, laut meiner Erfahrung oftmals berechtigt – und welche Stolpersteine später vor Gericht warten. Sind das Informationen, die der durchschnittliche Leser eines Publikumsverlags sucht? Ich denke nicht. Sind es Inhalte gewesen, die ich erhofft oder erwartet habe? Ja, aber anders verpackt. Anders verpackt, das wäre es gewesen. Denn der innere Zwiespalt, in dem ich mich befinde: Das Buch ist brillant. Es ist lehrreich, es ist ausführlich, es ist hilfreich. Aber nicht für den Durchschnittsleser. So ein Buch erwarte ich im Bereich (juristischer) Fachliteratur. Es ist das optimale Lehrbuch, schön auf den Punkt geschrieben, mit zahlreichen Anekdoten und Meinungen gepaart. Man merkt, dass der Autor Polizeischüler unterrichtet. Denn genau so liest sich „Geheimnisse der Vernehmungskunst“ – wie ein ausformuliertes Vorlesungsskript. Aber so wirkt das Buch nun einmal äußerlich nicht. Insbesondere Kenner der Vorgängerbände könnten hier enttäuscht werden und interessierte Leser sich von der Sachlichkeit erschlagen fühlen. Das Cover suggeriert für mich einfach ein nettes Real Crime Erfahrungsberichte Buch und das hält das Buch nicht. Die wenigen Fälle, die erwähnt werden, wirken wie Übungsfälle an einer Polizeischule, zudem arbeitet der Autor mit vielen Zusammenfassungen – schwierig, wenn ein Unterabschnitt nur aus zwei Seiten besteht, was muss hier denn noch zusammengefasst werden? Kurios anmutend finde ich auch den Abschnitt im Klappentext „Blick hinter die Kulissen, wie er spannender nicht sein könnte“. Dieses Buch hat gewiss vieles, aber sicher keine Spannung. Ich wüsste auch nicht, an welcher Stelle Spannung aufkommen könnte. Es ist definitiv informativ, es ist breit gefächert und es gewährt einzigartige Einblicke. Aber die nüchternen Beschreibungen, die andauernden Hinweise auf mögliche Fehlerquellen und das Gefühl, dass ich als Leser nicht Zielgruppe bin, lassen zu keiner Zeit auch nur den Hauch von Spannung aufkommen. Mehr als einmal störte ich mich zudem an Äußerungen des Autoren. So schlägt er auch gern gegen Anwälte. Auf S. 51/52 wird unter anderem thematisiert, dass er als unschuldig Beschuldigter natürlich auf Teufel komm raus reden würde und sich erklären würde und er daher Anwälte mit ihrem Schweigerat nicht verstehen könne – gerade von jemanden, der erzählt, wie komplex Vernehmungssituationen sind und hier auf über 200 Seiten Tipps gibt, wie man am besten die Vernehmung beeinflussen kann, hätte ich mehr Weitsicht erwartet. Da der Autor aber bereits im Vorwort sagt, der Leser muss seine Meinung nicht teilen, schaue ich hierbei darüber hinweg. Insgesamt bleibt der Eindruck, dass man äußerlich ein publikumswirksames Buch auf den Markt bringen wollte – innerlich aber Fachliteratur präsentieren mag. Wäre das Buch als solches deklariert gewesen, hätte es von mir die volle Punktzahl erhalten (wobei: wäre es ausdrücklich als Lehrbuch deklariert gewesen, hätte ich es nie gelesen). Da es als solches für mich aber nicht erkennbar ist und daher für mich nicht den Erwartungen entsprach, kann ich hier leider nur Abstriche machen. Ich rate daher jedem: Vor dem Kauf das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe anschauen. [Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]

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