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Rezension zu
Eiswelt

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein abgefahrener Science-Fantasy, der einem die Kälte in die Knochen kriechen lässt und nicht mehr loslässt

Von: Pink Anemone
19.01.2019

"Der Feind, das sind weder die Schurken noch Womaden, Aasfresser, Wintersomniasten, Eis-Eremiten, Megafauna, Nachtwandler, Frostnager oder fleischfressender Kaltschleim - es ist der Winter. Um zu überleben, musst du ihn zuallererst respektieren...." (S. 53) Stellt Euch vor, die Eiszeit hätte nie geendet. Eis, Schnee und Kälte 365 Tage im Jahr und im Winter fallen die Temperaturen bis zu Minus 50°C. Wenn die Temperaturen nur auf Minus 40°C fallen, spricht man von einem milden Winter. Um diesen Winter zu überstehen muss man sich erstmal ordentlich Fettdepots anfuttern und den Winter dann überschlafen. Stellt Euch vor alle gehen in dieser Zeit in spezielle Einrichtungen, um zu überwintern....nur Ihr nicht, denn Ihr gehört zu den Wächtern für die Schlafenden. Ihr seid auf Euch gestellt, wach und beginnt doch wie alle anderen zu träumen. Stellt Euch vor die Eiszeit hätte nie geendet..... "Sie erzählten von wochenlang anhaltenden Blizzards, dicker als Milch, von in Eis gehüllten Bäumen, die aussahen, als seien sie luftdicht in Glas verpackt. Von Regen, der gefroren wie tausend Edelsteine vom Himmel fiele und mit dem süßen Klang kleiner Glöckchen auf die Steine prasselte, von so niedrigen Temperaturen, dass Quecksilber in den Thermometern erstarrte und die Menschen, die so dumm waren, sich nach draußen zu wagen, binnen Minuten steifgefroren wurden." (S. 61) Der Autor hat mit "Eiswelt" einen bizzaren und spannenden Science-Fantasy erschaffen. Eine Welt, die im Hinblick auf unsere eine verkehrte Welt zu sein scheint. Klimawandel in die entgegengesetzte Richtung, man muss fett sein, um den Winter zu überleben und Winterfell (ausgeprägte Körperbehaarung) ist in und sogar ein Muss. Kinder werden nicht abgetrieben, sondern regelrecht produziert, was für die Gesellschaft eine wichtige Unterstützung bedeutet und je mehr Kinder eine Frau bekommt, umso angesehener ist sie. Man ist legal auf Droge und Träume sind verpönt, da energieraubend. Gleichberechtigung ist Standard und sexistische Machos werden verachtet. Dieses Kontrakonzept im Hinblick auf unsere Welt hat der Autor auch bei dem ein oder anderen Namen angewandt. So gibt es auch in "Eiswelt" z.B. einen britischen Abenteurer, der einem im TV das Überleben in der Wildnis erklärt. Hier heißt er jedoch nicht Bear Grylls, sondern Gaer Brills und so mancher Name erinnerte mich stark an Monty Python. Es gibt hier z.B. eine Schwester Vulvolia und eine Schwester Placentia. ">>In Jutesäcke eingewickelt und mit Gänseschmalz eingeschmiert mit Minimal-BMI auf Bäumen pennen<<, schnaubte Lucy bezüglich der Ideen von Gaer Brills. >>Da wird es den ganzen Winter über Hipster regnen.<<" (S. 29) Für Schmunzeln und Lacher wird hier also gesorgt. Dieser Science-Fantasy ist aber nicht nur eine überspitzte Karikatur einer verkehrten Welt, sondern regt auch in gewisser Weise zum Nachdenken an. Es ist nämlich ebenso eine Klassengesellschaft vorhanden, welche sich jedoch dadurch definiert, dass die einen gut und die anderen schlecht schlafen und die Ersteren dadurch eine höhere Überlebenschance haben. Es gibt Revoluzzer, die diese Gesellschaft und dieses System ablehnen und es gibt Schurken, welche nicht schlafen wollen und die Schlafenden ausrauben. Gleichzeitig kann man dieses Buch aber auch einfach nur genießen und in eine spannende und fesselnde Story abtauchen, in der man mythischen Wesen und auch Nachtwandlern begegnet. Diese sind den uns bekannten Zombies nicht unähnlich, sind sie doch in gewisser Weise tot und von Hunger getrieben. Trotzdem sind sie ganz anders, denn es sind noch lebende Menschen, denen es beim Überwintern einfach nur paar Gehirnsynapsen zerschossen hat. Und dann wütet auch noch ein Traumvirus, welches nicht mal vor den Wächtern Halt macht und die Betroffenen in den Wahnsinn treibt.. Wer oder was steckt hinter diesen Träumen und wieso trifft es nur ganz bestimmte Menschen? Wie Ihr inzwischen sicherlich schon erkennen konntet, gehört dieses Buch zu den etwas komplexeren in diesem Genre. Folglich ist auch eine entsprechende Einführung des Lesers in diese Welt notwendig. Man darf sich also nicht erwarten, dass es gleich von Anfang an Action am laufenden Band gibt. Diese Story benötigt Zeit und das ist auch gut so. "Wer Morphenox einnahm, brauchte keine Gottheit mehr, die sich in die Träume mischte und über den Schlaf wachte; die Droge hatte Gott überflüssig gemacht. Die Heiligenverehrung war vom Spirituellen auf das Pharmazeutische übergegangen...." (S. 222) Es wird aus der Sicht von Charlie erzählt und dieser erzählt uns seine Geschichte. Durch ihn lernen wir langsam diese komplexe Welt kennen - wie sie funktioniert, sowie die verschiedenen Charaktere. Jedes Kapitel wird durch Auszüge aus Hand- und Geschichtsbüchern eingeleitet und Charlie verwendet auch Fußnoten, um etwas näher zu erklären oder auf etwas hinzuweisen. Dies gestaltet sich jedoch in keinster Weise langweilig, was am flüssigen Schreib- und am packenden Erzählstil des Autors liegt. Doch nicht nur die Story ist skurril und vielschichtig, auch die Charaktere weisen diese Eigenschaften auf, wobei der Autor nicht davor scheut so manche lieb gewonnene Figur über die Klinge springen zu lassen. Für überraschende Wendungen ist hier also ebenso gesorgt und ist nicht nur auf die Charaktere und deren Ableben beschränkt. Charlie ist alles andere als perfekt und stolpert regelrecht und vor allem meist ungewollt von einem Abenteuer in das nächste. Dabei muss er über sich selbst hinauswachsen, seine Ängste bekämpfen und vor allem darf er niemanden trauen. Wer hier auf der guten und wer auf der bösen Seite steht, bleibt hier nicht nur Charlie, sondern auch dem Leser lange unklar. Hier scheint nichts und niemand das zu sein was er vorgibt z u sein. Für welche Seite wird sich Charlie entscheiden? Die Story beginnt zwar bedächtig, doch mit jeder gelesenen Seite taucht man tiefer in diese Welt ein, bis sie einen verschlingt, einem mit in die Kälte von Eis und Schnee zerrt und nicht mehr loslässt...bis man am Ende angelangt ist. Fazit: Mit diesem Buch hält man einen unglaublich packenden, wie auch interessanten Science-Fantasy in den Händen, der alle Eigenschaften besitzt, um mein erstes Jahreshighlight zu werden - komplex, mit viel Liebe zum Detail, abgefahren, vielschichtig und spannend. Diese Attribute weisen die Charaktere ebenso auf, wie auch die Story selbst. Zudem regt diese verkehrte Welt doch auch zum Nachdenken an und am Ende ist diese Welt gar nicht so spiegelverkehrt wie man anfangs dachte. Wer auf komplexe Fantasy steht, wird mit diesem Buch also mehr als gut bedient, denn es ist eine abgefahrene Story, die einem die Kälte in die Knochen kriechen lässt und nicht mehr loslässt. © Pink Anemone

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