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Rezension zu
Eine Frau wird älter

Abschied nehmen

Von: Stephanie Jaeckel
25.12.2018

Abschied nehmen Frauen altern anders als Männer. Schneller, möchte man vorschnell rufen, aber die Sache verhält sich anders. Was wir Wechseljahre nennen, ist tatsächlich eine Art Kippschalter, mit dem Frauen von jung zu alt wechseln, allein wegen der Möglichkeit und darauf folgenden Unmöglichkeit, Kinder zu bekommen. Die Wechseljahre sind ein gefürchtetes Alter. Sie beenden einen Zustand, den Frauen als Erwachsensein kennenlernen. Wer seine Tage bekommt, gehört dazu, ist kein Mädchen mehr, sondern eine potentielle Mutter und Ehefrau. Wer seine Tage nicht mehr bekommt, ist alt. Ulrike Draesner hat sich in ihrem aktuellen Buch diesem Alter angenähert, sehr mutig, weil aus eigenster Erfahrung: „Eine Frau wird älter“ ist ein autobiographisches Buch, wenn auch keine Autobiographie. Und es enthält schon im Titel einen wichtigen Hinweis: „älter“ schreibt Draesner, nicht „alt“, und das ist auch schon der Knackpunkt, den wir in unserer Wechseljahr-Panik gerne vergessen. Von Panik zu schreiben, ist angemessen, auch wenn viele Frauen, und wie mir scheint, immer mehr sich mit offenen Augen dieser Angst stellen. Die Wechseljahre sind nach wie vor ein Tabu und damit auch ein Geheimnis, das selbst Frauen nicht anzurühren wagen – zumindest, solange sie noch jung genug sind. Und dann erwischt es eine, und „es“ ist nicht mehr abzuschütteln. So ungefähr muss sich der Tod anfühlen. Schön ist das nicht. Das Gefühl, als „ältere“ Frau fortan wie ein Zombie unterwegs zu sein, mag hier seinen Ursprung haben. Aber es gibt einen Ausweg, und den nennt Ulrike Draesner auch gleich im Untertitel des Buches: „Ein Aufbruch“. Ein unerschrockenes Buch ist es geworden, wie Sandra Kegel in der FAZ schreibt, allerdings auch ein unausgegorenes. Vielleicht muss es das sogar sein, die Wechseljahre sind ein Auf und Ab zwischen verrückt spielenden Hormonen, zwischen merkwürdigen „Beschwerden“, körperlichen Ausnahmezuständen wie plötzliche Hitzeanfälle, Schlaflosigkeit, Haarausfall und ebenso merkwürdige Stimmungsschwankungen, die zwischen Weinerlichkeit und vollkommen unerwarteten Wutausbrüchen schlingern. Wer möchte da einen ausgewogenen Text erwarten? „Bei keiner (ist es) die gleiche Geschichte“, lesen wir auf Seite 132. Und das ist so wahr wie nix, denn zeitweise fühle ich mich gespiegelt, in dem was ich lese, zeitweise reibe ich mir die Augen (und hoffe dringend, dass es bei mir denn bitte soweit nicht kommt). Und vielleicht muss das um so mehr so sein, wenn man sich autobiographisch an ein Thema wagt, das nach wie vor ein Tabuthema ist. Man, und in diesem Fall wirklich nur Frau, Frau, Frau, bekommt nur einen Teil zu fassen, es spielen die eigenen Lebensumstände eine Rolle, die eigenen Erfahrungen, Fantasien, Ängste, Hoffnungen. Insofern lesen wir, wie wenn wir in ein Kaleidoskop schauen: Aspekte des eigenen Alterns sind in Kapitel unterteilt. Mal spalten sie sich auf in Erfahrungen anderer Frauen, mal werden sie aus der Perspektive der pubertierenden Tochter kommentiert (sehr schön), mal aus der der alten Mutter. Eine Trennung spielt hinein. Eine häufige Erfahrung, die jedoch der Geschichte selbst eine Schlagseite verpasst. Denn ab hier, und durch das Buch hinweg, schreibt Draesner aus der Defensive. Das ist stimmig und verwirrend zugleich. Denn wo ich Klärung eigener Fragen erwarte, bekomme ich andere Erfahrungen präsentiert, die mich – zunächst zumindest – mehr verunsichern als erhellen. Und obwohl das ein Spiel im Spiel ist, denn über die Wechseljahre lässt sich möglicherweise nur autobiografisch schreiben, bleibe ich ratlos zurück. Ich möchte gerne mehr, mehr andere Fälle, die meinen gleichen. Ich möchte die ganze Palette. Und die ist hier einfach nicht zu haben. Für mich als Leserin ergeben sich an dieser Stelle Längen. Mir wird die Sache zu persönlich, und obwohl ich verstehe, dass ich mit dem Auserzählen solcher privater Begebenheiten dazu aufgefordert werde, nach ähnlichen Situationen im eigenen Leben zu suchen, mag ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass sämtlich Kapitel nach hinten ausfransen. Dass, was konzis beginnt, in noch einer und noch einer Geschichte verloren geht. Dennoch ist „Eine Frau wird älter“ ein wichtiges Buch. Und ein ungeheuer sympathisches obendrein. Ich habe viel gelacht, und mich Männern gegenüber weit weniger unterlegen gefühlt, als das gemeinhin beim Thema „Wechseljahre“ der Fall ist: Ein enormer Verdienst! Was mich besonders berührt hat, die Erkenntnis, die ich als Kind so dringend und bitter erlebt habe, und die auf alte Menschen – egal welchen Geschlechts – wartet: Auf das Alter reduziert zu werden, ist demütigend. Und den Gegenentwurf, den Draesner anbietet, für mich das wichtigste Wort des Jahres 2018: Selbstermächtigung. Ulrike Draesner: Eine Frau wird älter. Ein Aufbruch. Penguin Verlag 2018. Ich danke Random House herzlich für das Rezensionsexemplar!

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