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Rezension zu
Ein notwendiges Übel

Weniger historischer Krimi, viel mehr lesenswerter Kultur- u. Reisebericht aus Britisch-Indien 1920

Von: Sigismund von Dobschütz/Buchbesprechung aus Bad Kissingen
12.11.2018

Wie schon sein Debütroman „Ein angesehener Mann“ (2017), der in Großbritannien zum Bestseller wurde, bestätigt auch der kürzlich als Heyne-Taschenbuch veröffentlichte zweite Band „Ein notwendiges Übel“ des indisch-stämmigen Briten Abir Mukherjee (44) seiner Krimireihe um den britischen Kriminalbeamten Sam Wyndham etwas Besonderes. Zwar geht es wieder um Mord, doch ist die Ermittlungsarbeit eher Mittel zum Zweck. Einen klassischen Krimi oder gar Thriller darf man nicht erwarten. Denn „Ein notwendiges Übel“ ist viel mehr! Es ist ein wirklich lesenswerter, höchst interessanter Kultur- und Reisebericht über Land und Leute in Britisch-Indien um das Jahr 1920, wo modernes europäisches Denken und Handeln auf Jahrtausende alte indische Kultur und Tradition prallt. Nach einjährigem Aufenthalt in Kalkutta hat sich Sam Wyndham allmählich in der britischen Kolonie eingelebt, und doch lernt er – und mit ihm wir Leser – nun eine neue Facette des auch unter den Briten noch von superreichen Maharadschas beherrschten Indiens kennen. Prinz Adhir, Thronfolger des an Diamantenvorkommen reichen Fürstentums Sambalpur, wird in Kalkutta am Rande einer vom britischen Vizekönig einberufenen Versammlung ermordet. Bei der Festnahme des als Mönch gekleideten Mörders begeht dieser vor Sams Augen unerwartet Selbstmord. Damit wäre der Mordfall eigentlich abgeschlossen. Doch Sam will die Hintergründe dieser Tat aufklären. Waren es religiöse oder politische Motive? Da die Kolonialregierung in dem unabhängigen Fürstenstaat über keine polizeilichen Befugnisse verfügt, reisen er und sein indischer Sergeant Surendranath Banerjee, von seinen britischen Polizeikollegen Surrender-not genannt, als verdeckte Ermittler ins kleine Fürstentum. Auch im zweiten Band schildert Autor Abir Mukherjee, dessen indische Eltern in den 1960er Jahren nach England einwanderten und der selbst erst als Erwachsener das Land seiner Vorfahren kennenlernte, auf höchst unterhaltsame und ironische Art die politisch und gesellschaftlich schwierige Situation des einst von den britischen Kolonialherren besetzten Teils Indiens. Die Ermittlungen um die drei Mordfälle nur als roten Faden nutzend, beschreibt Mukherjee eindrücklich und in schillernden Einzelheiten das Land in seiner für uns so exotischen Kulisse sowie dessen Einwohner, lässt sowohl das Leben am Hof des fünftreichsten Maharadschas mit seinen Palästen und dem ansatzweise europäisch beeinflussten Leben am Fürstenhof als auch das ärmliche Alltagsleben der indischen Bevölkerung mit ihren uns fremden Sitten und Gebräuchen lebendig werden. Das Bemerkenswerte dieser Romanreihe ist die Tatsache, dass der indisch-stämmige Autor uns europäische Leser nicht etwa aus indischer Sicht, sondern durch die Augen des jungen Briten Sam Wyndham als Erzähler in Indiens Kolonialgeschichte blicken lässt. Dadurch erreicht Mukherjee den Eindruck einer scheinbaren Objektivität. Wieder geht es um die Unterschiede der Kulturen: Während es den Indern völlig ausreicht, die Wahrheit zu kennen, fordert der Brite Wyndham die Einhaltung britischen Rechts - für den Europäer eine Notwendigkeit, für die Inder ein zu vernachlässigendes Übel. Sie regeln solche Fälle lieber intern nach alter Tradition und Sitte. Auch wenn dies bereits der zweite Band der lesenswerten Sam-Wyndham-Reihe ist, hat er eine in sich abgeschlossene Handlung. Vorher den ersten Band „Ein angesehener Mann“ gelesen zu haben, ist deshalb nicht zwingend erforderlich. Besser sollte man sich schon auf den dritten Band „Eine Handvoll Asche“ im Mai 2019 freuen.

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