Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Der Tyrann

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Der Tyrann - von Shakespeare und Machtmenschen

Von: Eva Krafczyk
11.11.2018

“Er ist ein pathologischer Narzisst und in höchstem Maße arrogant. Er verfügt über eine groteske Anspruchshaltung und hat nie einen Zweifel daran, dass er tun knn, was er will. Er brüllt gern Befehle und sieht, wie seine Untergebenen sie hastig ausführen. Er erwartet unbedingte Loyalität, ist aber unfähig zur Dankbarkeit” Wer nach diesen Zeilen ein weiteres Enthüllungsbuch aus dem Weißen Haus oder ein Psychogramm der Trump-Administration erwartet, täuscht sich. In seinem Buch “Der Tyrann” schildert der Literaturwissenschaftler und Pulitzer-Preisträger den Charakter des Shakespeare-Schurken Richard III. Darin setzt er sich mit “Shakespeares Machtkunde für das 21 Jahrhundert” auseinander. Der Keim seines Buches, so schreibt Greenblatt, sei seine “wachsende Sorge über den Ausgang einer bevorstehenden Wahl” gewesen. Und nachdem die Wahl seine schlimmsten Befürchungen bestätigt habe, grübelte er weiter über “Shakespeares unheimliche Relevanz für die politische Welkt, in der wir uns nun befinden”, heißt es ohne namentliche Erwähnung Trumps. Wie aktuell Shakespeares Dramen mit ihren Schilderungen von Machtgier und Intrige, politischer Verantwortung und Manipulation des Volkes sind, zeigt Greenblatt besonders an Aufstieg und voll von Richard III und Macbeth, aber auch die Frage des Tyrannenmords in Julius Caesar und die Vereinsamung an der Macht am Beispiel von König Lear werden erörtert. Auch das Umfeld, in dem Shakespeares Dramen entstanden, kommt zur Sprache: Kritik an der Königin hätte schließlich als Verrat gegolten. Jedliche Kritik an Tyrannei in einer Zeit, in der staatiche Zensoren auch in Theatersälen nach Anzeichen für aufrührerisches Gedankengut hielten, hatte sich also tunlichst auf eine Herrschaft in der Vergangenheit und so fiktiv wie möglich zu beziehen, Mit zahlreichen Zitaten aus den geschilderten Werken beschreibt Greenblatt Populismus und Größenwahn, Paranoia der Mächtigen und die Haltung derjenigen, die den Aufstieg des Tyrannen überhaupt erst ermöglichen. Welche Möglichkeiten gibt es noch, die Entwicklung zu stoppen oder zumindest zu mildern? Wer durchschaut die Tyrannei, wie regt und organisiert sich Widerstand? Fragen wie diese sind zeitlos und nicht auf die Bühnenbretter des elisabethanischen Zeitalters beschränkt. Angesichts aktueller Ereignisse hält der Literaturwissenschafler eine geradezu tröstliche Anaklyse bereit: Shakespeare habe nicht geglaubt, dass sich Tyrannen sehr lange halten könnten: “Egal wie schlau sie ihren Aufstieg planten, einmal an der Macht waren sie erstaunlich inkompetenz.” Die Existenz von Langzeitpräsidenten, die sich ihre Herrchaft in einigen Ländern gerne auf Lebenszeit sichern wollen, widerspricht dieser Sichtweise zwar. Doch selbst brutale Herrscher schafften es zumindest bei Shakespeare nicht, die gesamte Opposition zu vernichten – Isloilation und Arroganz beschleunigten den Sturz nur noch mehr. Trump oder Putin sind nicht Richard III. oder König Lear, doch eine spannende Analyse ist “Der Tyrann” dennoch – nicht nur für Politik- und Literaturwissenschaftler.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.