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Rezension zu
Ich komme mit

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Wundervolle Geschichte über die Schönheit und Tragik des Lebens

Von: Friedelchen
06.10.2018

"Frau Gress vom Nachbarhaus sagt "Ich kann nicht klagen", wenn man sie fragt, wie's geht. Vita sagt das nie. Wenn sie klagen könnte, würde sie. Aber erstens hat sie das Klagen nie gelernt, und zweitens wüsste sie nicht, worüber sie klagen sollte. Mir geht es gut, sagt sie. Gut heißt, es geht mir so, wie es einem in meinem Alter und in meiner Situation zu gehen hat. Vieles ist schlecht, aber das ist normal, und normal ist gut." (S. 29) Lazy ist gerade einmal 21 Jahre alt, als sein Leben durch die Diagnose Leukämie völlig aus den Fugen gehoben wird. Gerade erst hat er sich doch zum ersten Mal unsterblich verliebt und zu studieren begonnen und schon soll sein Leben, wenn es nach der Krankheit geht, wieder vorbei sein. Als eine Therapie ums andere fehlschlägt, beschließt er, auszusteigen. Und ausgerechnet seine stets korrekte 72-jährige Nachbarin Vita, die den jungen Mann immer mehr unter ihre Fittiche genommen hat, beschließt, ihn dabei zu begleiten. Erneut beweist der Wunderraum Verlag, dass er nicht nur mit einer wundervollen Gestaltung, sondern auch mit einem Händchen für außergewöhnliche Geschichten glänzen kann. Denn hach, was für eine herzerwärmend schöne, lebenskluge, aber auch melancholische Geschichte hat sich mir hier geboten. Angelika Waldis erzählt in Ich komme mit eine ungewöhnliche Freundschafts- und Lebensgeschichte, die den Wert, aber auch die Tragik des Lebens zeigt. Vita wohnt seit über vierzig Jahren in ihrer Wohnung in der Torstraße, hat dutzende Mieter kommen und gehen sehen, hat erlebt, wie sich ihr Viertel langsam wandelt, während ihr Leben in ruhiger Eintönigkeit an ihr vorbeigezogen ist. Viele Jahre lebt sie nun schon allein, nachdem ihr Mann gestorben und ihr Sohn ins unerreichbar ferne Australien gezogen ist. Als da eines Tages der dürre Student aus dem ersten Stock sichtbar blass und erschöpft im Flur sitzt, sackt sie den jungen Mann spontan ein und päppelt ihn mit Wurstbroten wieder auf. Fortan ist Lazy ein täglicher Gast bei Vita und wird immer mehr Teil ihres Lebens. Bis Lazy ihr offenbart, dass er keine Lust mehr auf den Zirkus aus bangem Hoffen und quälenden medizinischen Behandlungen hat, zu dem ihn seine Leukämie-Erkrankung zwingt. "Ich steige aus", sagt Lazy. Und Vita beschließt, ihn zu begleiten... In sanften Tönen und mit ruhiger Art erzählt die Autorin hier von der Schönheit und auch Tragik des Lebens. So betrachten wir durch Vitas Augen das Leben aus Sicht einer alten Frau, deren beste Jahre hinter ihr liegen und an der jeder Tag ereignislos vorbeirinnt, ohne ein Ziel vor Augen. Ihr Highlight sind die Klatschgeschichten ihrer Nachbarin oder dann und wann ein Brief von ihrem Sohn. Ihre Äußerungen und Ansichten wirken sehr abgeklärt, ehrlich und realistisch und die Lebensmüdigkeit und Monotonie spricht zu Beginn quasi aus jeder Zeile. Demgegenüber steht der sprudelnde Übermut und Rebellionsgeist der Jugend, den Lazy verkörpert. Er bringt ordentlich Schwung in Vitas sonst so ruhiges Leben und wird schnell zu ihrem Lebensmittelpunkt. Und so war es für mich auch nicht verwunderlich, als sie beschließt, Lazy bei seiner letzten Reise zu begleiten. Auch wenn beide lebensmüde sind, sind sie jedoch nicht blind für die Faszination, die das Leben darstellt. So erzählen sich Vita und Lazy beide gegenseitig in teils skurrilen, teils sehr eindrücklichen Bildern, was Leben für sie eigentlich bedeutet. „Leben ist Wärme im Hundeohr“, sagt Lazy zum Beispiel und Vita entgegnet „Leben ist Melodie erkennen im Summen des Kühlschranks“. Beide sind ganz wunderbare Charaktere, die mir beim Lesen sehr ans Herz gewachsen sind und der Generationenunterschied zwischen ihnen war sehr spannend dargestellt. Es war wirklich herzerwärmend zu sehen, wie die beiden sich gegenseitig beeinflussen und voneinander lernen - ein gelungenes Beispiel für generationenübergreifendes Zusammenleben :-) Auch wenn die hier angesprochenen Themen nicht gerade nach Gute Laune- oder Wohlfühlliteratur klingen, war die Geschichte doch auch humorvoll und motivierend. Ich habe beim Lesen stets mitgefiebert und mitgelitten und war gespannt, ob die Geschichte wirklich den tragischen Ausgang nimmt, der sich von Anfang an ankündigt. So hat der Wunderraum Verlag mir wieder einmal ein wunderbares, zu Herzen gehendes Leseerlebnis beschert, das ich euch sehr gerne weiterempfehle.

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