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SPECIAL zu Peter Ackroyd »London«

Die Stadt als Körper

Peter Ackroyd wurde 1949 in London geboren, wo er auch heute lebt. Er studierte Literaturwissenschaft in Yale und Cambridge und arbeitete viele Jahre für den "Spectator" und die "Times". Ackroyd ist einer der namhaftesten britischen Gegenwartsautoren ("Neue Zürcher Zeitung"). Er veröffentlichte zahlreiche Romane und Biographien und erhielt den Somerset Maugham Award, den Guardian Fiction Prize und den Whitbread Award.

Hier ist seine Biograpie

London ist ein Labyrinth, halb aus Stein, halb aus Fleisch. Es kann nicht als ein Ganzes in den Blick genommen werden, sondern ist nur als eine Wildnis aus Gassen und Passagen, aus Innenhöfen und Durchgängen zu erleben, worin sich auch der erfahrenste Bürger verirren kann; das Seltsame dabei ist, dass dieses Labyrinth in ständiger Veränderung und Erweiterung begriffen ist.

Die Biographie der Stadt London hält sich auch nicht an die Chronologie. Zeitgenössische Denker vermuten, dass die lineare Zeit selbst eine Fiktion der menschlichen Einbildungskraft ist - London hat diesen Schluss schon längst gezogen. Es gibt viele verschiedene Formen der Zeit in dieser Stadt, und es wäre närrisch von mir, ihren Charakter um einer konventionellen Erzählung willen zu verändern. Darum irrlichtert mein Buch durch die chronologische Zeit und wird so selbst zum Labyrinth. Aber wenn neben der Geschichte der Londoner Armut die Geschichte des Londoner Wahnsinns steht, gewähren die Querverbindungen vielleicht bedeutsamere Aufschlüsse, als es jeder orthodoxe historiographische Überblick vermöchte. Ich bin nur ein stolpernder Londoner, der anderen jene Richtungen weisen möchte, denen er selbst ein Leben lang nachgegangen ist.

Die Leser dieses Buches sollen wandern und sich wundern.

Sie werden sich unterwegs verlaufen; sie werden Augenblicke der Ungewissheit erleben, und gelegentlich werden befremdliche Phantasien oder Theorien sie verwirren. In gewissen Straßen werden exzentrische oder verletzliche Menschen neben ihnen stehen bleiben und um Beachtung betteln. Es wird nicht an Anomalien und Widersprüchen fehlen - London ist so groß und so wild, dass es schlechterdings alles in sich enthält -, so wie es auch Unschlüssigkeiten und Widersprüche geben wird. Doch wird es auch Augenblicke der Offenbarung geben, die sichtbar machen, dass diese Stadt die Geheimnisse der Menschen-welt hegt. Dann ist es klug, sich vor dem Ungeheuren zu beugen. So brechen wir voller Erwartungen auf, vor den Augen den Wegweiser mit der Aufschrift "Nach London".

Peter Ackroyd
London
März 2000