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SPECIAL zu Paolo Cognetti

Paolo Cognetti über "Sofia"

Ihre Hauptfigur in „Sofia trägt immer Schwarz” ist fast im selben Jahr geboren wie Sie. Ist Sofia Ihr weiblicher Doppelgänger?

Ja, sie ist in Teilen meine Doppelgängerin. Aber Sofia war für mich auch immer eine Art Idealbild, eine imaginäre Liebe ähnlich einem imaginären Freund, den Kinder für sich erschaffen. In ihr versammeln sich alle Mädchen, in die ich einmal wirklich verliebt war. Mir gefielen immer diejenigen besonders gut, die anders waren: seltsam, einzelgängerisch, mit einem miesen Charakter, aber aus einem anderen Blickwinkel betrachtet auch großzügig, leidenschaftlich, freiheitlich und nonkonformistisch. Ich habe fünf Jahre an dem Buch geschrieben und in dieser Zeit quasi mit Sofia zusammengelebt.

Ihr Roman entwirft ein gesellschaftliches Panorama von den Siebzigern bis in die Nuller-Jahre und kann als Generationenroman gelesen werden. Wäre Sofias Leben anders verlaufen, wenn Sie Anfang der Neunziger geboren worden wäre?

Sicherlich! Sofia ist 1977 geboren im selben Jahr wie der Punk. In Italien ähnlich wie in Deutschland waren das politisch sehr aufgeheizte Zeiten, die Kommunistische Partei war sehr nah an der Regierung (1976 war sie stärkste Partei im europäischen Kontext, wenn sie dieses Ergebnis auch bei Regierungswahlen erreicht hätte, wären wir heute ein kommunistisches Land). In den Fabriken gab es Tumulte, die Kämpfe forderten fast täglich Tote, die Stadt war noch eine Arbeiterstadt. In Mailand war der Punk weit mehr als eine Mode oder ein Musikstil, er war eine Art Vehikel für die Wut der Jugendlichen aus der Vorstadt, die vom fröhlichen Geist der 68er ebenso weit entfernt waren wie von den kommunistischen Studenten und den Katholiken. Sie waren Anarchisten mit einem großen Freiheitsbedürfnis. Kurz darauf sollte die Ankunft des Heroins dies alles zerstören. Unsere Welt ist ganz anders, und das alles scheint Geschichte zu sein, aber ich erinnere mich sehr gut an diese Dinge, sie sind Teil meiner Kindheit. Das sind Sofias Wurzeln. Ein Großteil dessen, woran sie glaubt, was sie sich wünscht und worunter sie leidet, kommt daher. So wie das Schwarz, in das sie sich immer kleidet.

Sofias Lebensbegleiter ist ein Buch über Piraterie – haben Sie selbst auch so ein Buch fürs Leben?

Ja, es ist ein bekanntes Buch von Captain Johnson (hinter dessen Identität viele Daniel Defoe vermuten) mit dem Titel „Eine allgemeine Geschichte der Räubereien und Morde der berüchtigtsten Piraten“. Das Leben der Piraten hat nicht nur schon immer die Kinder begeistert und große Bücher wie „Die Schatzinsel“ hervorgebracht (wahrscheinlich das erste Buch, das ich je gelesen habe), sondern nahm auch viel Platz im anarchischen Denken ein, bisweilen wurde das Piratenschiff – zugebenermaßen mit einiger Romantik – als ideale freie Gesellschaft betrachtet. Ein anderes wichtiges Buch in meinem und auch Sofias Leben ist „Temporäre autonome Zonen“ von Hakim Bey, das uns in den Neunzigern stark beeinflusst hat und auch von Piraten handelt. Es wurde viel diskutiert, über die Orte temporärer Freiheit wie Pirateninseln, eine Art Guerilla des Glücks. Lieben, sich schlagen, glücklich sein, weglaufen. Da ist die Art und Weise wie Sofia ihre Liebschaften, Freundschaften und Beziehungen zu Personen und Orten erlebt. Alles in ihrem Leben ist flüchtig, aber leidenschaftlich im Sinne der Piraten getreu dem Motto: Ich möchte glücklich sein, jetzt.

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