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SPECIAL zu Morten A. Strøksnes: Das Buch vom Meer, DVA

Im Gespräch mit Morten A. Strøksnes

„Draußen auf dem Ozean zu sein, in einem kleinen Boot mit einem guten Freund – kann es etwas Besseres geben?“

Herr Strøksnes, Sie leben die Abenteuer, von denen andere nur träumen, und haben außergewöhnliche Regionen bereist. Sie waren im Kongo und in der Sierra Madre del Sur – und nun geht es mit einem Schlauchboot raus aufs Nordmeer, um einen Eishai zu fangen. Warum ausgerechnet einen Eishai?

Der Eishai ist einer der größten Haie, der die meisten Geheimnisse birgt. Er lebt in den Tiefen des Polarmeers, und viel Menschen glauben, dass er sich nur in der Dunkelheit Hunderte von Metern unter uns aufhält. Doch obwohl er ein Tiefseehai ist, kommt er hin und wieder an die nordnorwegische Küste. Aber ich muss zugeben: Man sieht ihn fast nie. Als mich mein Freund, der Künstler Hugo Aasjord, fragte, ob wir uns aufmachen wollen, um einen Eishai zu fangen, so wie das unsere Vorväter getan haben, da musste ich natürlich Ja sagen.

Sie sind mit Ihrem Freund Hugo Aasjord ein Jahr lang immer wieder losgefahren und waren den Launen des Meeres ausgesetzt. Wann empfanden Sie die größte Freude – wann hatten Sie so richtig Angst?


Draußen auf dem Ozean zu sein, in einem kleinen Boot mit einem guten Freund – kann es etwas Besseres geben? Das Licht verändert sich ständig, das Meer auch, und die Stille, der Rhythmus der Wellen treiben die Gedanken in neue Richtungen. Am glücklichsten war ich, wenn wir Tieren begegneten: Einmal trafen wir auf eine Schule von Schwertwalen, die miteinander spielten, sie sind unglaublich schnell, voller Kraft und Eleganz, und ein andermal sahen wir einen Pottwal, die größte bezahnte und damit fleischfressende Kreatur der Erde. Aber natürlich gab es auch Augenblicke, in denen ich vor Angst fast vergangen wäre: Ganz plötzlich kann es zu einem Wetterumschwung kommen, und dann bist du den Naturgewalten ausgeliefert und hast nichts mehr unter Kontrolle. Das lässt dich demütig werden.

Aus Ihrer Abenteuergeschichte ist eine Liebeserklärung an das Meer geworden, was fasziniert Sie am Meer?

Am meisten hat mich fasziniert, was ich in den drei Jahren, in denen ich an diesem Buch gearbeitet habe, über all die vielfältigen Lebensformen, die es im Meer gibt, gelernt habe. Vor allem auch über die Tiere, die dort unten in kompletter Dunkelheit leben – vor nicht allzu langer Zeit glaubte man ja noch, dass auf dem Grund des Meeres kaum Leben möglich wäre, eine Art Todeszone. Aber ganz im Gegenteil: Unter Wasser ist quasi ein anderer Planet, eine uns unbekannte Welt auf unserer Erde.

Verwunderlicherweise haben Sie dieses Buch nicht in einer Fischerkate in Kirkenes, wo Sie aufgewachsen sind, geschrieben, sondern in Berlin, einer 3,5-Millionen-Metropole. Brauchten Sie den Kontrast, um sich ganz auf die Weiten des Meeres und die Einsamkeit einlassen zu können?

Ja, stimmt, ich habe das Buch in Berlin fertiggestellt, und der Kontrast, in einer großen Stadt über die Natur zu schreiben, inspiriert mich, wenngleich ich zugeben muss, dass ich in Berlin völlig von der Welt abgeschieden lebe. Ich bin dort nicht integriert wie ein normaler Stadtbewohner. Ich sitze in unserer Wohnung in Treptow und schreibe. Habe kein Internet, keine Verpflichtungen, so kann ich ganz bei mir sein und versuchen zu dem Buch zu werden, das ich schreibe, manchmal mache ich Spaziergänge.

Oder hat Sie die Faszination, die die Deutschen für den Nordatlantik haben, inspiriert?

Die Faszination der Deutschen für die Polarregion ist groß, und sie scheinen dieselben Dinge am Norden zu lieben wie ich, sie scheinen ihn zu verstehen, ganz instinktiv. Ich habe mich mit vielen deutschen Schriftstellern und Denkern befasst, aber ich wurde an der Barentssee geboren, und ich brauche keine Inspiration, um diese Region zu verstehen. Ich habe den Norden in mir.

Sie engagieren sich für den Schutz der Polarregion. Das Buch vom Meer ist nicht vorrangig ein politisches Buch, es zeigt uns aber plastisch auf, wie schützenswert die Unterwasserwelt ist – was muss passieren, damit uns diese Welt erhalten bleibt?

Anfang des Jahres habe ich für Greenpeace einen Artikel geschrieben, in dem ich die Möglichkeiten diskutiere, Teile des Polarmeers in ein Meeresschutzgebiet umzuwandeln. Ich weiß, es wird schwer werden, alle Anrainerstaaten dazu zu bewegen, aber ich als Norweger würde meinem Land dazu raten, mit der Fjordregion zu beginnen. Die Fjorde werden durch die Lachsfarmen verschmutzt. In Deutschland verkauft man diesen Lachs dann als „biologisch“, aber das ist eine glatte Lüge.

Was hat Sie dieses Jahr auf dem Meer gelehrt? Und würden Sie noch einmal ein solches Abenteuer unternehmen?

Die Weite des Ozeans ermöglicht neue Perspektiven auf das Leben an Land, deshalb würde ich immer wieder raus aufs Meer fahren. Erst kürzlich war ich mit Hugo unterwegs, um Kabeljau zu fangen. Leider ist das Buch abgeschlossen, meine beste Entschuldigung, mal schnell ins Boot zu steigen, also dahin – ich muss mir wohl bald ein neues Projekt suchen…

Das Gespräch führte Marion Kohler