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Mo Hayder - Die Sekte

SPECIAL zu Mo Hayder

"Ich bin schnell geschockt."

Mo Hayder im Gespräch mit Krimi-Couch-Herausgeber Lars Schafft über "Die Sekte"

Ms. Hayder, wenn man sich die Artikel über Sie in der englischen Presse durchliest, bekommt man fast den Eindruck, dass Sie vom Tod begeistert sind. Sind sie das?

Das ist eine gute Frage. Ich würde eher sagen, dass ich von der Gesellschaft begeistert bin. Von den Begleitumständen, die der Tod mit sich bringt. Natürlich bin ich nicht vom Tod selbst begeistert. Wer ist das schon? Wir wollen doch alle nicht sterben und ewig leben.

Natürlich drehen sich aber Ihre bisherigen Romane um den Tod. Die ersten beiden, "Der Vogelmann" und "Die Behandlung", gehen aber etwas strenger Richtung Kriminalroman als "Tokio" und jetzt "Die Sekte".

Das stimmt. Die ersten beiden sind Kriminalromane, "Tokio" eher ein historischer Kriminalroman und der aktuelle eine Mischung aus Krimi und Horror.

Stört es Sie, wenn ein Leser "Die Sekte" dann beispielsweise mit Stephen King vergleicht?

Nein, der Roman ist schon mit denen Stephen Kings vergleichbar. Aber es gibt trotzdem noch eine Verbindung zum Verbrechen und zum Kriminalroman.

Wollten Sie mit "Die Sekte" ganz bewusst das Genre wechseln?

Ich wollte nicht wirklich das Genre wechseln sondern vielmehr herausfinden, wie weit sich die Grenzen des Kriminalromans ausweiten lassen.

Fanden Sie also, dass die Grenzen, die der Kriminalroman als Genre mit sich bringt, die Leser mittlerweile langweilen?

Ja ... Nein .. Ich muss etwas mit der Antwort aufpassen. [lacht] Nein, ich glaube nicht, dass diese Krimis für den Leser oder für denjenigen, der sie schreibt, langweilig werden. Nur für mich persönlich. Jetzt habe ich aber zwei Romane geschrieben, die sich etwas vom Genre entfernt haben und nun habe ich wirklich Lust darauf, zum Krimi zurückzukehren, zum "reinen" Kriminalroman.

Zurück zu Jack Caffery?

Ja, genau! Ich plane eine neue Serie mit drei oder vier Folgen. Es wird dabei zwei Hauptfiguren geben: Jack Caffery ist die eine und die neue, das ist eine Polizeitaucherin, deren Job es ist, Leichen aus dem Wasser zu fischen. Die Romane werden auch wieder in England angesiedelt sein.

Was fasziniert Sie an Kriminalromanen? Wieso haben Sie sich diese Richtung ausgesucht?

Es gibt viele Gründe dafür. Einer ist, dass meine Mutter mich damals sehr behütet aufgezogen hat. Sie versuchte immer, die Welt außerhalb unserer Familie, die Wahrheit dahinter, vor mir zu verbergen. Wahrscheinlich bin ich deswegen immer noch jemand, der sehr schnell schockiert ist.

Ausgerechnet Sie sind leicht geschockt?

Ja, wirklich. Lange Zeit habe ich zwar gedacht, dass ich komplett cool wäre, aber mittlerweile passiert jeden Tag etwas, was mich an den Menschen schockiert.

Gab es eine bestimmte ausschlaggebende Idee für "Die Sekte"?

Eine Freundin von mir ist Krankenschwester in einer Nervenklinik und sie hatte eine Patientin, die fest davon überzeugt war, gekidnappt worden zu sein und davon, dass man ihr schreckliche Dinge angetan habe. Man habe ihr Hörner auf die Stirn gesetzt und einen Schwanz am Rücken angebracht, so dass sie wie ein Teufel aussah. Ganz offensichtlich war sie verrückt, aber: Diese Vorstellung von einem Menschen mit einem Schwanz ist wirklich bei mir hängen geblieben. Ich will nicht zu viel vom Buch verraten. Allerdings habe ich tatsächlich einen Arzt getroffen, der darauf spezialisiert war, Kinder mit Schwänzen zu operieren. Das hat mir irgendwie einen Thrill gegeben, dass so etwas tatsächlich passiert.

Das klingt nach langer medizinischer Recherche ...

Ich mag diese medizinische Recherche. Dieses Thema, Menschen mit Schwänzen, hat mich sehr lange beschäftigt. Vor allem, wie man damit leben kann. Normalerweise werden diese Menschen noch als Baby operiert, da ab einem Alter von zwei Jahren dieser Schwanz ein Krebsrisiko darstellt und lebensbedrohend wird. Der Schwanz, über den ich schreibe, kann wahrscheinlich existieren - - wahrscheinlich - Ja, den gibt es wirklich! Er wird nur in der Regel früh operiert. Der Arzt, der mir bei der Recherche geholfen half, hat mir Fotos davon gezeigt.

In "Die Sekte" gibt es zwei Protagonisten, einen männlichen und einen weiblichen. Bevorzugen Sie einen davon?

Männliche Charaktere gehen mir richtig leicht von der Hand, weibliche fallen mir hingegen richtig schwer.

Wo liegt der Unterschied?

Das ist eine wirklich gute Frage. Ich kann nicht genau sagen, warum mir das eine leichter fällt als das andere. Vielleicht liegt es daran, dass ich in meiner Kindheit deutlich mehr Zeit mit meinem Vater als mit meiner Mutter verbracht habe.

Sie haben sich in Ihren letzten Interviews ein wenig gegen die klassisch-britischen Kriminalromane wie von P.D James oder Ruth Rendell gestellt. Mögen Sie diese Art von Krimis nicht?

Nein, das kann man so nicht sagen. Aber das ist eine andere Generation und in meiner Generation hat sich nun mal einiges geändert, z.B. dass wir etwas detaillierter über die Verbrechen schreiben. Ich finde es allerdings unehrlich, Krimis zu schreiben, in denen es ja um Tod und Gewalt geht, ohne Tod und Gewalt aufzuzeigen. Wenn ein Leser meint "Oh, das will ich aber nicht lesen", soll er die Finger von Krimis lassen. Wer nicht mit Tod und Gewalt klarkommt, soll seine Krimis in den Müll schmeißen und Jane Austen lesen.