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Michael Robotham

Michael Robotham, Autor der Thriller mit Joe O'Loughlin und Vincent Ruiz - Goldmann

Michael Robotham im Gespräch (2009)

(c) BeNet Gütersloh
„Hi, I am Michael“ – da steht er vor einem: Michael Robotham. Ein weltweit erfolgreicher Bestsellerautor, der Psychothriller schreibt, die einem Angst machen und kalte Schauer über den Rücken laufen lassen. Der in seinen Werken über Leben, Tod und das Schicksal seiner Figuren bestimmt und damit Publikum sowie Kritiker gleichermaßen begeistert. Der 48-Jährige wirkt auf Anhieb sympathisch und mit seiner locker sitzenden Jacke, der dunklen Hose und dem dunklen T-Shirt könnte er auch direkt die Ermittlerrolle in einer seiner Geschichten übernehmen. Doch er ist Schriftsteller aus Leidenschaft. Das merkt man auch in dem Gespräch, für das sich der Goldmann-Autor vor einer Lesung in Hamburg Zeit nahm.

Sie verkaufen Millionen Bücher, Ihre Werke wurden in 25 Sprachen übersetzt. Haben Sie mit so einem Erfolg gerechnet als Sie angefangen haben Ihr erstes Buch „Adrenalin“ zu schreiben?

Michael Robotham: Nein, überhaupt nicht. Vor allem war das, was damals ablief, wie ein Traum. Viele Autoren würden einiges dafür geben, dass ihnen das passiert, was mir passiert ist: Ich bin mit gerade einmal 117 geschriebenen Seiten an Verlage herangetreten und habe sie ihnen angeboten. Was dann folgte, war ein Wettbieten der Verleger. Das ging sogar so weit, dass mein Agent mich nachts um drei Uhr anrief und mir sagte, welche Verlage wo um mich buhlen würden. Das war unglaublich! Ich hielt die Verleger wirklich für verrückt, weil ich weder einen Titel sagen konnte, noch wusste, wie das Ende oder überhaupt die weitere Geschichte aussehen würde. Für mich war dieser ganze Verlauf als hätte ich im Lotto gewonnen und ich musste mich das eine oder andere Mal kneifen, um zu sehen, ob es wirklich wahr war. Von heute auf morgen wurde ich plötzlich ein Vollzeit-Autor. Die positiven Reaktionen der Verlage machten mich aber auch ein wenig nervös.

Heißt das, dass Sie auf einmal Druck gespürt haben?

Michael Robotham: Genau das. Man investierte schließlich viel in mich – ich kam mir damals vor wie ein Rennpferd, auf das gesetzt wurde. Druck spüre ich immer noch beziehungsweise wieder. Ich habe mein neues Buch ungefähr zur Hälfte fertig, die Hauptfigur wird erneut Joe sein. Wahrscheinlich wird es im August erscheinen, auf Deutsch dann im April 2010 bei Goldmann. Bei meinem ersten und zweiten Buch spürte ich bereits großen Erfolgsdruck und nun eben wieder, denn „Dein Wille geschehe“ – übrigens mein bisher düsterstes Buch – kam bei Lesern und Kritikern sehr gut an. Da habe ich dann immer die Frage im Kopf: Kann ich das nochmal schaffen? Irgendwie hat man ja stets das Gefühl, sich selbst immer wieder übertreffen zu müssen.

Wer liest zuerst Ihre Werke?

Michael Robotham: Das ist immer meine Frau Vivien. Stephen King hat einmal gesagt, dass man als Autor sechs Leute in seinem Umfeld braucht, die dein Buch lesen, und danach brutal ehrlich sind, wenn sie ihre Meinung darüber sagen. Bei Vivien weiß ich, dass sie mir immer ehrlich ihre Meinung sagt.

Ist sie auch Ihr größter Fan?

Michael Robotham (überlegt kurz und lächelt): Ja, ich denke schon. Meine Frau hinterfragt immer sehr viel, was sehr gut ist. Aber manchmal ist sie auch verwundert und stellt mich zur Rede, indem sie fragt: Mit wem hast du denn das erlebt oder jenes gemacht? Da komme ich schon manchmal in Bedrängnis. (lacht) Oder nach einigen Passagen sagt sie auch: Wenn das unsere Freunde lesen, werden wir nie wieder zum Dinner eingeladen. Doch Spaß beiseite: Abgesehen davon, dass Vivien meine Bücher liest, ist sie es auch, die mich immer wieder auf dem Boden hält.
(c) BeNet Gütersloh
Apropos Familie: Sie haben drei Töchter – sind die stolz auf Sie?

Michael Robotham: Ich denke schon. Zu dem Thema fällt mir eine schöne Geschichte meiner jüngsten Tochter ein. Sie war damals fünf und wusste bereits, dass ihr Vater Bücher schreibt. Wir hatten Besuch und diesem wollte ich eines meiner Bücher mitgeben – da wurde meine Tochter ganz aufgeregt, fast schon panisch, und rief unserem Besucher zu: „Nein, du darfst das Buch nicht mitnehmen. Daddy hat so lange daran geschrieben und wenn du es nimmst, hat er es doch nicht mehr!“ Ich konnte ihr dann aber erklären, dass es noch mehr Exemplare gibt und sie war beruhigt.

Sie beschäftigen sich durch Ihre Bücher sehr viel mit der „dunklen“ Seite der Menschen – was fasziniert Sie daran?

Michael Robotham: Mich interessiert weniger das eigentliche Verbrechen, sondern die Hintergründe. Was geht im Kopf des Täters vor? Aus welcher Familie kommt er? Wie ist überhaupt sein Umfeld? Ich beschäftige mich folglich mit den ganzen Ermittlungen und Recherchen rund um diese Bereiche. Denn von einer Sache bin ich überzeugt: Niemand wird böse geboren. Es gibt kein schwarz oder weiß. Umfeld beziehungsweise Gesellschaft formen. Dadurch tragen oft viele Mitschuld an einer Tat, und das schockiert die Menschen. Durch diesen Ansatz zielen meine Bücher eher auf die Psyche ab und die Leser empfinden eine größere Angst in ihren Köpfen.

Haben Sie jemanden, der Ihnen mit seinem Fachwissen über die „menschlichen Abgründe“ zur Seite steht?

Michael Robotham: Ich habe Kontakt zu Paul Britton, einem der erfolgreichsten Kriminalpsychologen Großbritanniens. Er hat unter anderem bei der Aufklärung der Fred- und Rosemary-West-Mordserie und in dem Fall des ermordeten James Bulger, der von zwei zehnjährigen Jungen aus einem Einkaufszentrum entführt und umgebracht wurde, geholfen. Mich fasziniert die Arbeit von Paul Britton. Ich habe mich immer gefragt, woher er die Sachen über die Täter weiß, wie er Hintergründe erforscht. In meinen Gesprächen mit ihm habe ich eine Menge darüber gelernt.

Ist Paul Britton auch der Grund dafür, dass Sie Ihrer Figur Joe O‘Loughlin, einem Kriminalpsychologen, bereits einige Male die Hauptrolle des Ich-Erzählers überließen?

Michael Robotham: Vielleicht ja, aber ich wollte letztendlich einen Menschen haben, der nicht jede Frau haben kann, dem nicht alles gelingt, der nicht makellos ist – kurz: ich wollte nicht eine dieser „Superman“-Figuren.

Kein „Superman“ ist eine Sache, aber warum haben Sie Joe mit dem Handicap einer Parkinson-Erkrankung ausgestattet?

Michael Robotham: Mich fasziniert es einfach, wenn brillante Köpfe in ihrem Körper gefangen sind. Stephen Hawking zum Beispiel ist jemand, der mich unglaublich beeindruckt. Er ist genial, findet die besten Lösungsansätze, doch wenn es um seinen Körper geht, muss er sich geschlagen geben. Darüber hat er keine Kontrolle. Genau so ist es teilweise bei Joe, der immer wieder Rückschläge durch Parkinson erdulden muss. Ansonsten würde ich ihn als typischen Mann bezeichnen, der mit einem besonderen Verständnis für die Menschen ausgestattet ist. Viele haben mir übrigens gesagt, dass es gemein war, Joe mit Parkinson „auszustatten“ – mittlerweile muss ich auch sagen, dass er mir so ans Herz gewachsen ist, dass ich, wenn ich ihn nochmal kreieren müsste, ihn gesund machen würde.
(c) BeNet Gütersloh
Wie wichtig ist es denn, seine eigenen Figuren zu mögen?

Michael Robotham: Sehr wichtig, denn schließlich verbringe ich eine Menge Zeit mit Ihnen und sie werden für mich reale, greifbare Personen. Von der Intensität ist es vergleichbar damit, dass man ein Jahr lang mit seinem besten Freund in einem Zwei-Mann-Zelt wohnt. Irgendwas wird es einfach zu eng und zu viel – da braucht man eine Pause. Deswegen wechsle ich ab und zu meine Ich-Erzähler. Um zu verdeutlichen wie real meine Figuren für mich sind: Als die 28-jährige Ali meine Ich-Erzählerin war, musste meine Frau Vivien akzeptieren, dass ich sozusagen eine Affäre mit einer anderen Frau habe. Vivien hat mich immer wieder angeguckt und gesagt: „Du bist schon wieder bei ihr. Sag Bescheid, wenn du zurück bist.“ Mir selbst ist diese Tatsache das erste Mal 50 Seiten vor Schluss des ersten Buches klar geworden. Da kam mir auf einmal in den Sinn, dass Joe zu diesem Zeitpunkt der Handlung dabei ist, alles zu verlieren. Wenn ich am nächsten Tag von einem Bus überfahren worden wäre, hätte ihn niemand retten können. Ich bekam solche Panik und machte mir um Joe solche Sorgen, dass ich sofort wie wild angefangen habe weiterzuschreiben. Ich habe drei Nächte nicht geschlafen, nur um ihn zu retten.

Wieviel Michael steckt in Ihren Büchern?

Michael Robotham: Viel. Ich denke, dass Joe O'Loughlin mir sogar sehr ähnlich ist, nur eindeutig mutiger. Das sagen auch viele meiner Freunde, die übrigens auch behaupten, dass seine Freundin Julianne eine Kopie meiner Frau Vivien sei, nur eine bessere (lacht) – angeblich hätte ich meine Traumfrau kreiert.

Haben Sie schon einmal daran gedacht, das Genre zu wechseln? Wie wäre es mit einem Liebesroman?

Michael Robotham: Ich hatte damals ja gar nicht vor, in das Krimi-Genre einzusteigen, aber dann wurde auf einmal ein lebloser Körper gefunden und die Dinge nahmen ihren Lauf. Aber dass ich tatsächlich Krimi-Autor bin, habe ich anders festgestellt: So habe ich einmal meinem Verlag auf die Frage nach meinen Plänen geantwortet, dass ich daran dächte, vielleicht einmal einen Roman zu schreiben. Aber die haben nur gelacht und auf meinen Vertrag verwiesen. Den habe ich mir dann genauer angeguckt und da ist tatsächlich festgehalten, dass ich immer genreähnlich schreiben muss. Es ist also schwarz auf weiß festgehalten, dass ich Krimi-Autor bin.
Nele Rummert
mit freundlicher Genehmigung © BeNet Gütersloh, 2009