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Kirchen, Macht und Geld. Oder: Warum Kirchensteuern zahlen?

Der Frieden ist dahin. In Limburg an der Lahn empören sich die Gläubigen über den Bischof Tebartz-van Elst und werfen ihm vor, Geld verschwendet und die Öffentlichkeit angelogen zu haben. Die Medien diskutieren: Wie reich dürfen und sollen die Kirchen sein? In Rauschendorf bei Bonn soll die Leiterin eines katholischen Kindergartens entlassen werden, weil sie ge¬schieden ist und mit einem neuen Mann zusammenlebt – doch die Eltern sehen das anders und suchen sich lieber einen neuen Träger für die Einrichtung, statt sich den Regeln des kirchlichen Arbeitsrechts zu beugen. Oder: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi reicht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde ein – auch bei der Caritas und der Diakonie, bei den kirchlichen Sozialträgern mit insgesamt 1,3 Millionen Beschäftigten, sollen Streiks nicht länger verboten sein. Im beschaulichen Staufen bei Freiburg wiederum geht eines schönen Tages der katholische Kirchenrechtsprofessor Hartmut Zapp zum Standesamt und erklärt, er sei und bleibe zwar ein gläubiger Mensch – doch aus der Kirchensteuergemeinschaft wolle er jetzt austreten.

Wenn es um das Verhältnis von Staat und Kirchen geht, ist mittlerweile der Ärger nicht weit und das Misstrauen groß. Warum sammelt der Staat die Kirchensteuer ein, garantiert und zahlt den konfessionellen Religionsunterricht, gesteht den Kirchen zu, eigene Regeln beim Arbeitsrecht aufzustellen, finanziert weitgehend kirchliche Sozialträger, zahlt seit 1803 für enteignete Grundstücke jedes Jahr Millionen Euro als Ausgleich? Versuchen die Kirchen da nicht, ihren Reichtum und ihre Macht zu halten, obwohl ihnen die Gläubigen weglaufen und die alten Ansprüche bröckeln? So richtig erregt werden die Debatten, wenn die neue, fremde Religion ins Spiel kommt: der Islam. Warum dürfen die bei uns Moscheen bauen, Knaben beschneiden, Tiere schächten – und die Frauen wollen Beamte werden und trotzdem ihr Kopftuch tragen?

Ja, noch steht das für die Kirchen ausgesprochen vorteilhafte Staat-Kirche-Verhältnis der Bundesrepublik fest. Schließlich sind diese Kirchen die größten Institutionen der Bundesrepublik und werden es wohl auch bleiben. Das deutsche Kirchensteuersystem gilt weithin als bewährt, es gibt keine politische Mehrheit, die Kirchenartikel im Grundgesetz zu ändern. Länder und Kommunen sind froh um die kirchliche Sozialarbeit. Die Schulen und Kindergärten in evangelischer oder katholischer Trägerschaft haben mehr Anmeldungen, als sie Plätze vergeben können. Doch das Selbstverständliche ist dahin im Verhältnis der Gesellschaft zur Religion, zu den Kirchen. Es ist weg, weil inzwischen ein Drittel der Bundesbürger keiner Volkskirche mehr angehört und auch unter den Katholiken und Protestanten die Kirchenbindung abgenommen hat. Und so ist auch die Zahl derer gestiegen, die keine Erfahrung mit Kirchengemeinden oder kirchlichen Einrichtungen gemacht haben, keine tiefergehenden jedenfalls als die eines fernen Kunden oder Konsumenten. Viel mehr aber als von abstrakten Verfassungsgrundsätzen lebt das Staat-Kirche-Verhältnis vom gesellschaftlichen Konsens – es ist dieser Konsens, der bröckelt. Die Gleichgültigkeit gegenüber den Kirchen hat zugenommen, das Wissen über und die Akzeptanz von Glaubenssätzen und Morallehren hat abgenommen. Laizistische Strömungen haben an Argumentationskraft gewonnen und manchmal auch an Aggressivität.

Die Kirchen wiederum sind auf diese Entwicklung schlecht vorbereitet. Sie geben oft ungern Auskunft über ihre Finanzverhältnisse und sind beleidigt, wenn jemand kritische Fragen stellt. Und dann ist da seit März 2013 in Rom ein neuer Papst, beunruhigend für die reichen Christen Europas: Franziskus lebt bescheiden im Gästehaus des Vatikans und lässt sich in einem Mittelklassewagen fahren, er will eine bescheidene Kirche an der Seite der Armen. Wie verträgt sich das mit teuren Bischofshaus-Sanierungen und PS-starken Dienstwagen von Mercedes, Audi, BMW? Wie mit kirchlichen Sozialträgern, die zu Dienst-leistungsunternehmen mit Millionenumsatz geworden sind, die auch nicht anders wirtschaften und Löhne drücken als die weltliche Konkurrenz?
Schließlich ist eine neue Religion in Deutschland sichtbar geworden: der Islam. Vier Millionen Muslime suchen einen Platz in Deutschland – auch mit ihrer Religion, mit ihrer Fröm¬migkeit. Das deutsche Staatskirchenrecht hat auf diesen berechtigten Wunsch noch keine befriedigende Antwort gefunden. Wenn es künftig islamischen Religionsunterricht geben soll, wer bestimmt die Inhalte, wer bildet die Lehrer aus – der Staat, die islamischen Verbände? Und wenn das alles so schwierig ist, sollte man dann nicht besser Religion zur Privatsache erklären und den Staat so weit wie möglich religionsfrei halten?

Befürworter und Kritiker des gegenwärtigen Staat-Kirche-Verhältnisses leben häufig in unterschiedlichen Wahrheiten
und von unterschiedlichen Grundannahmen. Die Befürworter gehen davon aus, dass starke Religionsgemeinschaften eine Gesellschaft besser machen, jedenfalls, wenn sie nicht funda¬mentalistisch auftreten und alle Andersgläubigen und Nichtgläubigen abwerten. In ihren Augen sollte der Staat also den christlichen Kirchen, den Juden und – so sie sich in das vor¬gegebene System einordnen – auch den Muslimen um seiner selbst willen einen angemessenen Platz schaffen. Für die Gegner haben sich die Kirchen – immer mit der Behauptung, nur das Beste für die Menschen zu wollen – Geld, Privilegien und Macht gesichert, die ihnen nicht zustehen. Für sie ist es an der Zeit, diesen verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Und manchmal geht es auch Kirchenvertretern tatsächlich vor allem darum, den eigenen Einfluss zu sichern, und Kirchengegnern darum zu zeigen, dass Glaube in Wahrheit Aberglaube ist und ein Staat schön dumm, der so etwas unterstützt.

Kirche, Macht und Geld

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