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SPECIAL zu Marion Pauw »Blutige Asche«

"Ich fühle mich dem Genre immer mehr verbunden"

© Xclusivo Magazine Aruba
Marion Pauws Krimi "Blutige Asche" ist ein äußerst gelungener Krimi. Die Geschichte von Ray, der sich in psychiatrischer Sicherungsverwahrung befindet, und der Anwältin Iris ist eine faszinierende Geschichte menschlichen Versagens, des niederländischen Rechtssystems - und der Vielfalt von Meerwasseraquarien.
Obwohl Iris nicht mehr Vollzeit als Anwältin arbeitet, steht ihr das Wasser doch regelrecht bis zum Hals. Grund dafür ist ihr schwer erziehbarer Sohn im Kindergartenalter. Zu allem Überfluss wird sie auch noch mit Ray konfrontiert, einem autistischen Mann, der zu psychiatrischer Sicherungsverwahrung verurteilt wurde, da er seine Nachbarin und deren kleine Tochter umgebracht haben soll. Obwohl genug Beweise auf Ray als den Täter deuten, versichert er mit äußerstem Nachdruck, dass er unschuldig ist. Iris vertieft sich in den Fall und bringt mehr ans Tageslicht als ihr lieb ist …

Marion Pauws Hintergrundwissen trägt im hohen Maße zur Faszination von "Blutige Asche" für den Leser bei. Sei es nun darüber, wie der Alltag in einer psychiatrischen Sicherungsverwahrung aussieht, wie man das schmackhafteste Brot backt (Bäcker war Rays Beruf, bevor er verhaftet wurde), oder wie man Fische in einem Meerwasseraquarium versorgt.

„Recherche ist wahnsinnig wichtig“, bestätigt Pauw. „Und dabei sollte man sich keineswegs nur auf das Internet verlassen. Man sollte mit den Leuten sprechen, die in der Berufssparte arbeiten, dann bekommt man viele Ideen. Ich habe eine halben Tag in einer Bäckerei gestanden, in einem Anwaltsbüro recherchiert und mich in Meerwasseraquarien vertieft. Nachdem ich eine Stunde die Fische beobachtet habe, konnte ich Rays Faszination für sie verstehen.“

„Ein befreundeter Psychiater erzählte mir von der Zeit, in der er in einer psychiatrischen Sicherungsverwahrung arbeitete. Das schien mir eine faszinierende Welt, die man gut für einen Roman nutzen könnte. Einen Tag lang habe ich eine Psychologin bei ihrer Arbeit in der Psychiatrie begleitet und viel mitbekommen. Da wird nicht nur enorm viel geraucht, auch Drogenmissbrauch kommt vor. Was mir in Erinnerung geblieben ist, ist die enorme Beklemmung, die ich gefühlt habe, die dort herrschende Aussichtslosigkeit ist schrecklich. Man muss minimal zwei Jahre bleiben, bevor die Entscheidung einer Rückintegration in die Gesellschaft oder eben Langzeitverwahrung gefällt wird. Als Bewohner ist man der Klinik komplett ausgeliefert. Wer im Gefängnis sitzt, hat es natürlich auch nicht einfach, weiß aber zumindest, wann seine Haftstrafe abgelaufen ist.“

Ihre Inspiration für Rays Autismus bekam Pauw hingegen aus nächster Nähe: „Mein Sohn hat das Asperger-Syndrom. Man sollte meinen, dass man heutzutage sehr viel über Autismus weiß, aber ich habe gemerkt, dass es auch immer noch sehr viel Unverständnis gibt. Den Menschen ist in keinster Weise bewusst, was es bedeutet, autistisch zu sein. So verstehen Autisten alles wortwörtlich, sie können nicht zwischen den Zeilen lesen, keine Blicke wechseln, die gegenseitiges Verständnis signalisieren. Und Metaphern oder eine bildliche Sprechweise stellen ein nicht zu überwindendes Hindernis dar.“

„Autisten müssen den ganzen Tag kämpfen, damit sich ihnen die Umgebung erschließt. Mein Sohn hat ab und zu so etwas wie einen Kurzschluss und dann flippt er aus. Und die Kommentare, die man dann kriegt! Ich höre vor allem, dass ich ihn mal härter anpacken sollte.“ Marion Pauws grüne Augen funkeln wütend. „Davon habe ich wirklich genug und halte damit auch nicht hinterm Berg.“

Ruhiger fügt sie hinzu: „Aber ich habe auch weiterhin das Bedürfnis, Dinge über Autismus zu erklären. Ray ist zum Beispiel ganz anders als mein Sohn. Bei Ray schlägt alle Spannung nach innen. Um alles gut zu Papier zu bringen, habe ich Regeln für Ray aufgestellt: Zu was er in der Lage ist und was er auf der anderen Seite nicht kann. Seine Arbeit als Bäcker, der das leckerste Brot, das man sich vorstellen kann, backt, und sein wunderschönes Meerwasseraquarium zeigen, was Rays größte Triebfeder ist: Alles muss perfekt sein!“

Wenn man Marion Pauw fragt, warum sie schreibt, fängt sie an zu strahlen. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, Schreiben ist, was ich am liebsten mache. Es ist immer wieder eine große Herausforderung, eine komplett neue Welt zu erschaffen. Es ist ein Kick, der sich gut mit dem Laufen eines Marathons vergleichen lässt: knallharte Arbeit und absolut kräftezehrend. Aber umso größer ist auch die Genugtuung, wenn es geschafft ist. Die Zeit fürs Schreiben zu finden ist für mich das Schwierigste. Ich bin Mutter von zwei Kindern, alleinstehend, und ich arbeite nebenbei noch als copywriter. Ein ‚writers block' oder fehlende Inspiration sind nicht das Problem. Ich würde am liebsten von neun Uhr morgens bis sechs Uhr abends schreiben.“

„Damals habe ich nicht bewusst mit dem Schreiben eines Thrillers angefangen, es entwickelte sich von selbst in diese Richtung. Aber inzwischen fühle ich mich mehr und mehr mit dem Genre verbunden. Ich liebe es, spannende Geschichten zu schreiben, man kann die dunkle Seite seiner Hauptfigur zeigen, man hat ein Muster, das Halt bietet, und man kann kleine Andeutungen im Plot verweben. Der Leser muss das Puzzle zusammensetzen können mit den Stücken, die ich liefere. Keine einfache Aufgabe, aber eine, die ich fantastisch finde.“

Artikel von Els Roes
erschienen im Telegraaf 15-07-08